Rechtstipp im Zivilprozessrecht
Die Verwirkung im Rahmen des Kostenfestsetzungsverfahrens
Das Rechtsinstitut der Verwirkung (§ 242 BGB) gilt auch im Kostenfestsetzungsverfahren. Unter welchen Voraussetzungen die Verwirkung eintritt, wird im Folgenden dargestellt.
Ein Recht ist verwirkt, wenn der Berechtigte es längere Zeit hindurch nicht geltend gemacht hat und der Verpflichtete sich darauf eingerichtet hat und sich nach dem gesamten Verhalten des Berechtigten darauf einrichten durfte, dass dieser das Recht auch in Zukunft nicht geltend machen wird (Palandt/Heinrichs, BGB, 73. Aufl. 2014, § 242 Rn. 87).
Die Verwirkung im Kostenfestsetzungsverfahren ist von Amts wegen zu berücksichtigen. Dies gilt sowohl für den materiell-rechtlichen Erstattungsanspruchs gegen die unterlegene Partei als auch für den prozessualen Anspruch gegen das Gericht auf nachträgliche Festsetzung der Kosten. Denn dem Gericht kann nicht zugemutet werden, an der - wenn auch formellen - Verwirklichung eines gegen Treu und Glauben verstoßenden Verhaltens mitzuwirken (OLG Stuttgart RPfleger 84, 113; OLG Frankfurt RPfleger 77, 261 a.A.).
Es muss ein längerer Zeitraum vergangen sein, seitdem erstmalig die Möglichkeit bestand, das Recht geltend zu machen. Das Landgericht Bonn legt einen Zeitraum von sieben Jahren nach Abschluss des Rechtsstreits zu Grunde, innerhalb dessen das Kostenfestsetzungsverfahren nicht betrieben wurde (RPfleger 84, 245). Das Oberlandesgericht Frankfurt sieht schon einen Zeitraum von drei dreiviertel Jahren als ausreichend an (MDR 74, 240).
Der Erstattungspflichtige muss aus dem Verhalten des Berechtigten entnehmen, dass dieser den Anspruch nicht mehr geltend machen will und somit kein Anlass für den Pflichtigen besteht, sich in seiner Wirtschaftsführung darauf einzurichten, dass er nach mehreren Jahren noch in Anspruch genommen wird. Es genügt insoweit das passive Verhalten des Erstattungsberechtigten (OLG Frankfurt RPfleger 77, 261).
Das Oberlandesgericht Bamberg stellt dabei auf die Gesichtspunkte der Rechtssicherheit, der Rücksichtnahme auf den Pflichtigen sowie die Notwendigkeit einer rechtzeitigen Geltendmachung des Anspruchs ab (OLG Frankfurt JurBüro 74, 229).
Verwirkung kann nicht angenommen werden, wenn z.B. zunächst eine Teilfestsetzung der Kosten des Prozessbevollmächtigten erfolgte, die Festsetzung vergessener Verkehrsanwaltskosten aber erst nachträglich innerhalb einer kürzeren Zeitspanne als der o.a. beantragt wird.
Regelmäßig genügen vier Jahre Zeitablauf zwischen dem ersten Kostenfestsetzungsbeschluss und einem nachträglichen Festsetzungsantrag, um Verwirkung anzunehmen. Was für ein ergänzendes Festsetzungsverfahren gilt, gilt erst recht für die „Erst-Festsetzung" (LG Bonn RPfleger 84, 245).
Der Erstattungsanspruch gegen die Gegenpartei verjährt erst in 30 Jahren, § 197 Abs. 1 Nr. 3 BGB. Verwirkung kann aber schon vorher eintreten, aber nicht innerhalb der dreijährigen Verjährungsfrist des § 195 BGB (Gerold/Schmidt, RVG, 20. Aufl. 2012, § 8 Rn. 37; BGH VersR 69, 38).