Rechtstipp im Verwaltungsrecht
Prüfungsrecht
Richtiges darf nicht als falsch gewertet werden
Was ist bei berufsbezogenen Prüfungen zu beachten - Tipps für den Fall, falls es zu Uneinigkeiten in der Bewertung kommt
So ziemlich jeder dürfte sich schon einmal in einer angespannten Prüfungssituation befunden haben. Mal geht es um das Erlangen eines Meistertitels, mal geht es um den Abschluss seiner Schullaufbahn, ein anderes mal steht die Studentenzeit vor ihrem Ende.
So unterschiedlich diese Ereignisse sind, sie haben doch immer eines gemeinsam: Es handelt sich bei ihnen um Prüfungen, genauer gesagt um sog. berufsbezogene Prüfungen. Solche sind für das Ergreifen oder Ausüben eines bestimmten Berufs notwendig und unterliegen damit dem Prüfungsrecht. Aber auch Prüfungen und Bewertungen, die den Wettbewerb zu anderen Bewerbern um eine Stelle beeinflussen, sind von dem Geltungsbereich des Prüfungsrechts umfasst. Als Beispiel für letztgenannten Bereich sei die beamtenrechtliche Konkurrentenklage genannt.
Das Prüfungsrecht bezieht sich in der Regel ausschließlich auf staatliche oder andere, durch Gesetz geregelte Prüfungen. Darunter fallen fast sämtliche Prüfungen im Bereich der Berufsausbildung, wie z.B. Hochschulprüfungen. Da das Prüfungsrecht sich auf staatliche Prüfungen bezieht, ist es ein Teil des öffentlichen Rechts, insbesondere des Verfassungs- und Verwaltungsrechts.
Bis zum Jahre 1991 gab es in Deutschland fast überhaupt kein ernst zu nehmendes Prüfungsrecht. Erst mit seiner Leitentscheidung vom 17.04.1991 hat das Bundesverfassungsgericht die auch heute noch tragenden Grundsätze für das bestehende Prüfungsrecht in Deutschland gelegt.
Einige dieser Grundsätze sollen an dieser Stelle kurz dargestellt werden. Einer der markantesten Grundsätze ist sicherlich derjenige, welcher besagt, dass eine vertretbare, mit gewichtigen Argumenten folgerichtig begründete Lösung nicht als falsch bewertet werden darf. Dieser Grundsatz wird oft verkürzt mit der Formel umrissen, dass Richtiges nicht als falsch gewertet werden darf.
Für den Prüfling bedeutet dies, dass er seine als nicht korrekt bewertete Prüfungsleistung gerichtlich überprüfen lassen kann. So unterliegt die Bewertung der Antworten des Prüflings auf fachwissenschaftliche Fragen nicht mehr allein dem Beurteilungsspielraum der Prüfer. Vielmehr können die Antworten von den Gerichten auf ihre Richtigkeit oder Vertretbarkeit überprüft werden. Allerdings ist zu beachten, dass in der Praxis gerade bei der Frage, wieweit eine solche gerichtliche Kontrolle gehen kann und darf, zahlreiche Probleme auftreten können.
Denn trotz des Grundsatzes, dass nunmehr auch Prüfungsleistungen gerichtlich überprüft werden können, billigt die ganz überwiegende Rechtsprechung Prüfern nach wie vor einen gewissen Bewertungsspielraum zu. Wie weit dieser geht und ob dieser jeweils überschritten ist, ist immer eine Frage des Einzelfalls und muss daher stets individuell anhand der konkreten Prüfungsleistung und -situation überprüft werden.
Neben dem genannten Grundsatz, dass Richtiges nicht als falsch gewertet werden darf, haben die Gerichte klargestellt, dass die Bewertung berufsrelevanter Prüfungsleistungen zu begründen ist. Diese Begründungspflicht des Prüfers gilt sowohl für die Bewertung der schriftlichen Aufsichtsarbeiten wie auch für die Bewertung mündlicher Prüfungsleistungen.
Die Pflicht zur Begründung ergibt sich mittlerweile oftmals bereits aus den jeweils einschlägigen Prüfungsordnungen. Fehlt eine Prüfungsordnung, ergibt sich der Anspruch auf eine Begründung jedoch auch aus dem Grundgesetz. So erfordert es das Grundrecht auf freie Berufswahl (Art. 12 Abs. 1 GG) und das Recht auf effektiven Rechtsschutz (Art. 19 Abs. 4 GG), dass der Prüfer die Bewertung einer berufsrelevanten Prüfungsleistung begründet. Der Prüfer hat die tragenden Erwägungen darzulegen, die zu seiner Bewertung der Prüfungsleistungen geführt haben. Nur wenn der Prüfling diese Erwägungen kennt, kann er seine Rechte sachgemäß verfolgen und den eingeschlagenen beruflichen Lebensweg fortsetzen.
Allgemein gesprochen bedeutet dies, dass die maßgeblichen Gründe, die den Prüfer zu der abschließenden Bewertung veranlasst haben, zwar nicht in den Einzelheiten, aber doch in den für das Ergebnis ausschlaggebenden Punkten erkennbar sein müssen. Auch hier gilt wieder, dass es immer auf den Einzelfall ankommt, ob eine hinreichende Begründung durch den Prüfer gegeben wurde oder nicht.
Wurden Fehler bei der Bewertung von Prüfungsleistungen bzw. im Rahmen von Prüfungsleistungen festgestellt, muss geklärt werden, welches weitere Vorgehen sich im jeweiligen Fall anbietet. In Betracht kommen hierbei verschiedene Möglichkeiten.
Zum einen kann der Prüfling mit konkreten Einwendungen verlangen, dass die Prüfer einzelne Bewertungen überdenken. Diese Möglichkeit kommt insbesondere immer dann in Betracht, soweit es dem Prüfling nicht möglich ist, während der Prüfung seinen Standpunkt wirksam zu vertreten. Vor allem im Rahmen von mündlichen Prüfungen, sollten mögliche Einwände so schnell wie möglich der jeweiligen Prüfungsbehörde angezeigt werden, da sonst eine Rekonstruktion des Ablaufs der mündlichen Prüfung unter Umständen wegen Zeitablauf unmöglich wird.
Zum anderen kann der Prüfling förmlich Widerspruch und Klage gegen die endgültige Prüfungsentscheidung der jeweiligen Prüfungsbehörde (z.B. Universität, Handwerkskammer usw.) erheben. Dabei kommt es je nach Art des festgestellten Mangels darauf an, welches Widerspruchs- bzw. Klageziel am besten geeignet erscheint.
Muss eine Entscheidung über das Bestehen bzw. Nichtbestehen einer Prüfung schnell getroffen werden, etwa weil davon die Bewerbung auf eine Arbeitsstelle abhängt oder das Fortkommen im Studium gefährdet ist, empfiehlt es sich, im Wege einer einstweiligen Anordnung eine vorläufige, schnelle Klärung der Angelegenheit zu erzielen. Wie die Beispiele zeigen, ist im Prüfungswesen der vorläufige Eilrechtsschutz vor dem Verwaltungsgericht oftmals die einzige Möglichkeit schwere Nachteile für den Prüfling abzuwenden.
Sollte dennoch dem Prüfling durch eine fehlerhafte Entscheidung der Behörde ein schwerer finanzieller Nachteil entstanden sein, so bleibt als letzter Schritt dann oftmals nur noch die Möglichkeit im Rahmen von Amtshaftungsansprüchen seinen finanziellen Schaden geltend zu machen.
Johannes Schneider
Rechtsanwalt