Rechtstipp im Vertragsrecht und Kaufrecht
Aktuell: Der Ein- und Ausbau mangelhafter Kaufsachen beim Verbrauchsgüterkauf - Urteil des EuGH vom 16. Juni 2011 - Rechtssachen C 65/09 und C 87/09
Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat am 16. Juni dieses Jahres einen seit der Einführung des neuen Kaufrechtes im Jahre 2002 bestehenden Streit beendet, der die in der Praxis häufig auftretende Frage betraf, ob der Verkäufer einer mangelhaften Sache im Rahmen der Nacherfüllung auch den Ausbau der mangelhaften und den Einbau der neuen Kaufsache schuldet bzw. die dadurch entstehenden Kosten zu tragen hat.
Der EuGH hat zugunsten der Verbraucher entschieden.
Erweist sich eine Kaufsache innerhalb der Gewährleistungszeit als mangelhaft, so schuldet der Verkäufer in der Regel nach Wahl des Käufers die Beseitigung des Mangels (meist Reparatur) oder die Lieferung einer neuen, mangelfreien Sache. Die dafür erforderlichen Aufwendungen (z.B. Versandkosten) hat dann der Verkäufer zu tragen.
Doch die Frage wie sich die Situation darstellt, wenn es sich bei der Kaufsache um eine solche handelt, die gemäß ihrer Art und ihres Verwendungszweckes in eine andere Sache eingebaut wurde – zu denken wäre beispielhaft an einen Herd, der in eine Küche integriert wurde oder an bereits angebrachte Wandfliesen – wurde durch die Gerichte unterschiedlich beurteilt.
Während beispielsweise das Oberlandesgericht Köln (Az.: 11 U 46/05) oder das Oberlandesgericht Frankfurt (Az.: 15 U 5/07) die Kosten des Ausbaus einer mangelhaften Kaufsache dem Verkäufer im Rahmen der Nacherfüllung auferlegt hatten, sprach sich der Bundesgerichtshof in seiner Vorlageentscheidung aus dem Januar 2009 (Az.: VIII ZR 70/08) gegen die Kostentragungspflicht des Verkäufers aus. Der Verkäufer schulde lediglich die Übergabe einer mangelfreien Sache und die Verschaffung des Eigentums daran, deshalb könne auch nur Ersatz der dafür anfallenden Aufwendungen verlangt werden.
Bei der Frage, ob auch die Kosten des erneuten Einbaus der neuen, mangelfreien Sache vom Verkäufer zu übernehmen sind, bestand noch größere Uneinigkeit unter den Gerichten. So war das Oberlandesgericht Frankfurt in dieser Frage gegen eine Übernahmepflicht des Verkäufers, während sich das Oberlandesgericht Karlsruhe (12 U 144/04) wiederum für eine solche Pflicht aussprach. Auch hier erteilte aber der Bundesgerichtshof den Verbrauchern mit der Entscheidung vom Juli 2008 (Az.: VIII ZR 211/07) eine Absage.
Die Übernahme der Kosten des Ein- und Ausbaus durch den Verkäufer war allenfalls als Schadensersatz zu erreichen. Dieser Weg hatte aber einen Haken, denn für die Schadensersatzpflicht muß den Verkäufer ein Verschulden an der Mangelhaftigkeit der Kaufsache treffen. Ein solches kann in der Regel, zumal wenn nicht beim Hersteller direkt gekauft wurde, nicht belegt werden.
Das es sich bei den deutschen Regeln zur Kaufmängelgewährleistung aber im Wesentlichen um die Umsetzung europäischen Rechtes handelt, nämlich der „Richtlinie 1999/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Mai 1999 zu bestimmten Aspekten des Verbrauchsgüterkaufs und der Garantien für Verbrauchsgüter“, oblag die endgültige Auslegung der entsprechenden Vorschriften dem EuGH.
Der Bundesgerichtshof hatte die nun entschiedene Frage daher mit Beschluß vom 14. Januar 2009 dem EuGH zur Entscheidung vorgelegt:
Der EuGH hat nun entschieden, dass der Verkäufer im Fall einer Ersatzlieferung für eine mangelhafte Kaufsache diese ausbauen und die als Ersatz gelieferte Kaufsache erneut einbauen bzw. die Kosten für beides tragen muß.
Nach Auffassung des EuGH ist wesentlicher Bestandteil der einschlägigen europarechtlichen Regelungen, daß der Verkäufer unentgeltlich den vertragsgemäßen Zustand herzustellen hat. Damit soll der Verbraucher davor geschützt werden, seine Rechte aufgrund drohender finanzieller Belastungen nicht geltend zu machen. Würden die Kosten für den Ein- und Ausbau dem Käufer auferlegt, stünde er nach der Ersatzlieferung finanziell schlechter da, als wenn der Verkäufer sogleich ordnungsgemäß den Vertrag erfüllt hätte. Dies bewirke nicht, daß der Verbraucher schließlich mehr verlangen kann, als der Verkäufer aus dem Kaufvertrag schulde, nämlich sogar den Ein- und Ausbau der Kaufsache, sondern lediglich, daß der Verkäufer den Zustand herzustellen hat, der bestünde, wenn er von vornherein vertragsgemäß erfüllt hätte.
Sofern Sie als Verbraucher also nun eine mangelhafte Kaufsache in dem guten Glauben, sie sei in Ordnung, in eine andere Sache eingebaut haben, können Sie ab sofort auch den Ausbau der kaputten Sache und den Einbau der ersatzweise gelieferten Sache bzw. die dafür anfallenden Kosten vom Verkäufer verlangen.
Die allgemeine Information kann eine rechtliche Beratung im Einzelfall nicht ersetzen. Sollten Sie weitere Fragen haben, erreichen Sie mich unter 040 / 31 81 58 68.
Stephan Meyer
Rechtsanwalt