Rechtstipp im Versicherungsrecht
Verweisbarkeit eines Gerichtsvollziehers, OLG Frankfurt/Main, Beschluss vom 11. Mai 2009, Az. 12 U 82/08
Dem von uns vertretenen Kläger, einem Gerichtsvollzieher, wurden erstinstanzlich durch das Landgericht Darmstadt Leistungen aufgrund von Berufsunfähigkeit zugesprochen. Die von dem beklagten Versicherer erhobene Berufung wurde auf einen entsprechenden Hinweisbeschluss des Oberlandesgerichtes zurückgenommen.
Eine Verweisung des Klägers auf die von ihm nach seiner Erkankung konkret ausgeübte Tätigkeit im Mittleren Justizdienst (Innendienst) war dem Versicherer nicht möglich.
Es fehlt an einer Vergleichbarkeit, da eine Tätigkeit im Mittleren Justizdienst (Innendienst) in der Wertschätzung und im Einkommen spürbar abfällt.
a.
Für die soziale Wertschätzung der Tätigkeit eines Gerichtsvollziehers ist die weitgehende Selbständigkeit wie auch die öffentlich bekannte Vollzugstätigkeit eines Gerichtsvollziehers kennzeichnend.
In seiner Beschreibung des Berufsbildes verweist das Justizministerium Baden-Württemberg folglich auf einen „anspruchsvollen Beruf mit freiberuflicher Komponente“, welche das Unterhalten eines eigenen Büros wie auch die mögliche Beschäftigung von Hilfskräften erfordert. Dies hebt den Gerichtsvollzieher deutlich von den weisungsgebundenen Beschäftigten im Mittleren Justizdienst ab.
b.
Das Einkommen eines Gerichtsvollziehers setzt sich zusammen aus seinem Beamtengehalt sowie seinen Nebeneinkünften, die ihm teilweise als zu versteuernde private Einnahmen und teilweise als Aufwendungen für seinen Geschäftsbetrieb zusteht.
Aufgrund der gesundheitsbedingten Versetzung in den Innendienst blieb dem Kläger vorliegend nur noch sein Beamtengehalt.
Dieses lag spürbar unter seinen Gesamteinkünften aus seiner Tätigkeit als Gerichtsvollzieher. Eine Einbuße von durchschnittlich etwa 30 % pro Jahr stellt nach Auffassung des Oberlandesgerichtes eine wesentliche Minderung der Einkünfte dar, die nicht hingenommen werden muss.
Die Minderung der Einkünfte wird auch nicht etwa durch die kürzeren Arbeitszeiten kompensiert.
Rechtsanwalt Oliver Roesner LL.M., Fachanwalt für Versicherungsrecht
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