Rechtstipp im Versicherungsrecht
Befristetes Anerkenntnis in der Berufsunfähigkeitsversicherung
Der Bundesgerichtshof hat am 9. Oktober 2019 zum Aktenzeichen IV ZR 235/18 ein sehr wichtiges Urteil hinsichtlich befristeter Anerkenntnisse in der privaten Berufsunfähigkeitsversicherung gefällt.
Bislang waren bei einer bejahenden Leistungsentscheidung des Versicherers, also dem Ausspruch eines Anerkenntnisses, wenn dieses (lediglich) befristet ausgesprochen wurde, insbesondere zwei Fragen umstritten:
Fraglich war zum einen, ob eine Befristung dieses Anerkenntnisses des Vorliegens eines sachlichen Grundes hierfür bedurfte. Zum anderen war umstritten, ob auch eine Begründung der Befristung gegenüber dem Versicherungsnehmer zu erfolgen hatte. Der Bundesgerichtshof hat nunmehr beides bejaht.
Sowohl aus der Gesetzgebungsgeschichte als auch aus dem Sinn und Zweck des § 173 Abs. 2 des Versicherungsvertragsgesetzes (VVG) ergäbe sich, dass ein grundloses Anerkenntnis nicht möglich sei. Da der Versicherungsnehmer bei Vorliegen der Leistungsvoraussetzungen Anspruch auf die Abgabe eines Anerkenntnisses durch die Versicherung habe und ihn ein lediglich befristetes Anerkenntnis deutlich schlechter stelle könne dies nur ausnahmsweise von der Versicherung ausgesprochen werden.
Aufgrund der überlegenen Stellung des Versicherers hat dieser nach Auffassung des Bundesgerichtshofes den Versicherungsnehmer auch näher hinsichtlich seiner Entscheidung und der Gründe hierfür zu belehren und ein befristetes Anerkenntnis daher nachvollziehbar zu begründen. Dem Versicherungsnehmer soll so ermöglicht werden, einzuschätzen, ob er ein derartiges befristetes Anerkenntnis akzeptieren muss oder aber nicht.
Für die Praxis bedeutet dies zweierlei: Zum einen werden zukünftige Entscheidungen der Versicherer diese Vorgaben zu beachten haben. Zukünftig werden dabei an befristete Anerkenntnisse deutlich höhere Voraussetzungen zu stellen sein. Zum anderen sind auch bereits erfolgte Entscheidungen im Lichte dieses Urteils kritisch zu würdigen. Betroffene, denen gegenüber in der Vergangenheit befristete Anerkenntnisse erklärt worden sind, sollten überprüfen lassen, ob dies wirksam erfolgte oder aber nicht. Bei einer Unwirksamkeit wären nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes derartige unzulässig befristete und / oder unzulässigerweise nicht ordnungsgemäß begründete Anerkenntnisse als unbefristete Anerkenntnisse anzusehen. Die Ausgangssituation des Betroffenen wäre danach dann eine vollkommen andere.
Es macht daher in jedem Fall Sinn, als Betroffener einen Fachmann hinzuzuziehen, um eine nähere Prüfung vorzunehmen.
Rechtsanwalt Oliver Roesner, LL.M., Fachanwalt für Versicherungsrecht