Rechtstipp im Urheber- und Medienrecht
Keine Vertragsstrafe nach Abrufbarkeit eines Fotos nach Eingabe eines 70 – stelligen Links
Sachverhalt
Der Beklagte hat auf der Plattform eBay-Kleinanzeigen Lautsprecher zum Kauf angeboten. Hierbei hat er Fotografien zum Bewerben der Artikel verwendet, dessen Urheber der Kläger, ein Berufsfotograf, ist. Nach einer Abmahnung unterschrieb der Beklagte eine strafbewehrte Unterlassungserklärung. Er verpflichtete sich dazu eine Vertragsstrafe zu zahlen, wenn er die Lichtbilder weiterhin/wieder der Öffentlichkeit zugänglich machen würde.
Die Fotografien wurden von der Internetseite entfernt. Jedoch waren sie noch weiterhin nach einer Eingabe einer 70 – stelligen URL in die Adresszeile des Browsers abrufbar. Die URL (gespeicherte Webadresse) bestand hierbei aus Buchstaben, Sonderzeichen und Ziffern.
Der Kläger forderte den Beklagten wiederholt zur Unterlassung auf und verlangte die Zahlung der vereinbarten Vertragsstrafe.
Vorherige Entscheidungen
Das Landgericht Frankfurt am Main wies die besagte Klage ab. Das Berufungsgericht Oberlandesgericht Frankfurt am Main folgte der Ansicht des Landgerichts. (OLG Frankfurt a.M., Urt. v. 16.06.2020, Az. 11 U 46/19; LG Frankfurt/Main, Urt. v. 10.04.2019, Az. 6 O 299/18)
Nach Ansicht des Oberlandesgericht Karlsruhe und einigen anderen Gerichten reiche es allerdings nicht aus, dass lediglich Links gelöscht werden und dass Fotografien weiterhin durch die direkte Eingabe der URL erreichbar sind. Die gerügten Fotografien müssten vom Server vollständig gelöscht werden. Eine abstrakte Erreichbarkeit reiche demnach für eine Urheberrechtsverletzung aus.
Die Entscheidung des BGH
Der Bundesgerichtshof wies die Klage ebenfalls ab und verneinte den Anspruch des Klägers auf Unterlassung trotz des Bestehens des Unterlassungsvertrages. Er folgte somit der Ansicht der Vorinstanzen und entschied sich somit unter anderem gegen das Urteil des OLG Karlsruhe. (Urt. v. 27.05.2021, Az. I ZR 119/20)
Die Entscheidung wird damit begründet, dass die Abrufbarkeit der Fotografien mit der Eingabe eines 70 – stelligen Links keine öffentliche Zugänglichmachung im Sinne des § 19a UrhG darstellt.
In § 19a UrhG ist das Recht der öffentlichen Wiedergabe von Werken zu erlauben oder zu verbieten statuiert. Die Voraussetzung des § 19a UrhG ist die öffentliche Zugänglichmachung, die ein Unterfall der öffentlichen Wiedergabe gemäß § 15 Abs. 2 und 2 UrhG ist. Diese fällt in den Anwendungsbereich von Art. 3 Abs. 1 der Urheberrechtsrichtlinie. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs ist für das Merkmal „öffentlich“ erforderlich, dass es eine „unbestimmte Zahl potenzieller Adressaten“ gibt und es sich hierbei um „recht viele Personen“ handelt. Mit recht vielen Personen ist gemeint, dass zumindest eine allzu kleine oder unbedeutende Mehrzahl betroffener Personen das Merkmal nicht erfüllt.
Wie schon das OLG Frankfurt, ist der BGH der Ansicht, dass die Zugriffsmöglichkeit für „recht viele Personen“ nicht gegeben ist. Aufgrund der 70 – stelligen URL kann die Adresse nur von Personen eingegeben werden, die die Adresse zuvor – als das Foto vor Abgabe der Unterlassungserklärung noch im Rahmen der Anzeige des Verkäufers frei zugänglich gewesen war - notiert oder abgespeichert haben.
Dies reicht nach Ansicht des Gerichtshofs nicht für eine öffentliche Zugänglichmachung im Sinne des § 19a UrhG aus. Es widerspreche der Lebenserfahrung, dass neben dem Urheber der Fotografien noch weitere, mehrere Personen die URL kennen und somit die Fotografien abrufen können.
Ob die besagten Fotos möglicherweise noch über die Google-Bildersuche abrufbar waren ist im vorliegenden Fall unerheblich, da keine Beweise von der Klägerseite eingereicht wurden und zumindest zu spät für eine Berücksichtigung im Verfahren eingebracht worden sind
Folglich ist kein Verstoß gegen den Unterlassungsvertrag gegeben und eine Zahlung der Vertragsstrafe ist abzulehnen.
Fazit
Nach der Unterzeichnung einer strafbewehrten Unterlassungserklärung ist der Schuldner in der Regel dazu verpflichtet die Rechtsverletzung zu unterlassen und wie im vorliegenden Fall die Fotografien aus dem Internet zu entfernen. Es stellt sich häufig die Frage wie weitreichend die auferlegten Pflichten sind.
Es hat sich in der Rechtsprechung eingebürgert, dass ein rein passives Unterlassen nicht ausreicht. Vielmehr ist ein aktives Tun erforderlich um die Rechtsverletzung, im Rahmen der Möglichkeit und Zumutbarkeit, zu beseitigen.
Es entspricht nicht der Lebenserfahrung, dass Internetnutzer eine 70 – stellige URL zufällig in den Browser eingeben und somit die Datei abrufen können. Es ist ebenfalls davon auszugehen, dass kaum ein Nutzer die URL abspeichert oder sich notiert. Dementsprechend ist in den meisten Fällen eine Urheberrechtsverletzung ausgeschlossen.
Der Kläger muss folglich für eine Bejahung einer Urheberrechtsverletzung nachweisen, dass tatsächlich „recht viele Personen“ einen tatsächlichen Zugriff haben. Die Behauptung einer möglichen, abstrakten Aufrufbarkeit ist hierfür nicht ausreichend.