Rechtstipp im Strafrecht
Vertragsarzt als Amtsträger oder Beauftragter - quo vadis, Pharmamarketing?
Die Gewährung von wirtschaftlichen Vorteilen an niedergelassene Kassenärzte, um diese zur Verordnung bestimmter Arznei- oder Hilfsmittel zu motivieren, ist nur dann strafbar, wenn die Kassenärzte Amtsträger i.S.v. § 11 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c StGB sind, so dass die Bestechungstatbestände (§§ 333, 334 StGB) in Betracht kommen, oder wenn die Kassenärzte Beauftragte der Krankenkassen i.S.d. Tatbestandes des § 299 StGB sind. Beide Rechtsfragen werden in der Literatur kontrovers diskutiert und sind in der Rechtsprechung nicht geklärt. Der 3. Strafsenat des BGH bejaht beide Fragen und hat sie gemäß § 132 Abs. 4 GVG dem Großen Senat für Strafsachen zur Fortbildung des Rechts vorgelegt (BGH, Beschluss vom 05.05.2011, 3 StR 458/10). Die Vorlegungsfragen werden sich in einer Vielzahl von Verfahren stellen. Ihre Beantwortung wird richtungsweisend für die Rechtsanwendung bei der strafrechtlichen Verfolgung des sogenannten Pharmamarketings sein (Lampe jurisPR-StrafR 16/2011, Anm. 1).
Der 5. Strafsenat des BGH hat unter Bezugnahme auf den inhaltsgleichen Vorlagebeschluss des 3. Strafsenats dem Großen Senat für Strafsachen ebenfalls die Frage vorgelegt, ob Vertragsärzte (Kassenärzte) Amtsträger oder – hilfsweise – Beauftragte eines geschäftlichen Betriebs sind (BGH, Beschluss vom 20.07.2011, 5 StR 115/11, juris-Newsletter vom 21.07.2011).
Die weitere Rechtsentwicklung wird sorgfältig zu beobachten und in der Präventions- sowie Compliance-Beratung sowohl der Pharma-Vertriebs-Branche als auch der Ärzteverbände zu berücksichtigen sein. Es steht zu besorgen, dass der Große Senat für Strafsachen beide Vorlagefragen unter Hinweis auf § 73 Abs. 2 SGB V bejahen wird.
Mitgeteilt von Rechtsanwalt und Fachanwalt für Strafrecht Andreas Plümpe