Rechtstipp im Strafrecht
Rechte des Beschuldigten im Ermittlungsverfahren
Als Beschuldigter gilt man, wenn Anfangsverdacht besteht, Täter oder Teilnehmer einer Straftat zu sein.
Als Anfangsverdacht wird auch der einfacher Tatverdacht bezeichnet.
Dieser Tatverdacht ist neben dem hinreichenden Tatverdacht und dem dringenden Tatverdacht der Tatverdacht mit der geringsten Verdachtsstufe. Danach besteht einfacher Tatverdacht, wenn mit z u r e i c h e n d e r Wahrscheinlichkeit (§§ 152-II, 160-I StPO) davon ausgegangen werden kann, dass die Straftat dem Beschuldigten in einer zukünftigen Hauptverhandlung so nachgewiesen werden kann, dass mit seiner Verurteilung zu rechnen ist. Der Grad der Verdachtsstufe im Verhältnis zu dem für die Anklageerhebung sowie die Eröffnung des Hauptverfahrens erforderlichen hinreichenden Tatverdachts i.S.d. §§ 170-I, 203 StPO ist gesetzlich nicht geregelt. Die herrschende Lehrmeinung, der sich die Rechtsprechung nicht verweigert, geht beim Anfangsverdacht von einer Wahrscheinlichkeit von mehr als 1 % einer nachweisbaren Straftat aus (Im Vergleich dazu benötigt der sogen. hinreichende Tatverdacht eine Wahrscheinlichkeit von etwa 50 % und er dringende Tatverdacht eine überwiegende Wahrscheinlichkleit von annähernd 100 %.). Während des Ermittlungsverfahrens können sich die Verdachtsstufen verändern, bleibt es allerdings beim Anfangsverdacht, ist das Strafverfahren durch die Strafverfolgungsbehörde mangels hinreichendem Tatverdacht nach § 170-II StPO einzustellen.
Gleiches gilt im Zwischenverfahren.
Erkennt die Staatsanwaltschaft hinreichenden Tatverdacht, erstellt sie eine Anklage und leitet diese an das zuständige Gericht weiter, so dass sich das Verfahren im Zwischenverfahren befindet. Erkennt das Gericht bei erneuter Prüfung im Gegensatz zur Strafverfolgungsbehörde keinen hinreichenden Tatverdacht, verfügt das Gericht entweder Nachermittlungen anzustellen oder das Verfahren wird durch das Gericht nach § 203 StPO eingestellt. Ist das Gericht mit der Staatsanwaltschaft der Ansicht, dass hinreichender Tatverdacht vorliegt, ergeht ein Eröffnungsbeschluss, mit dem die Anklage zugelassen und das Hauptverfahren eröffnet wird, in dessen Verlauf auch die Hauptverhandlung stattfindet.
Vor diesem Hintergrund wird deutlich, dass ein Mensch gegen den ein Ermittlungsverfahren läuft, mit umfangreichen Rechten ausgestattet sein muss, weil im Umkehrschluss noch 99 % Wahrscheinlichkleit bestehen, dass ihm strafbares Verhalten nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit nachgewiesen werden kann.
Der Beschuldigte hat nach der seit dem Jahre 1875 maßgeblichen Strafprozessordnung und auch in den Verfahrensordnungen davor, das Recht zu den gegen ihn erhobenen Vorwürfen zu schweigen oder auch die Unwahrheit zu sagen, solange er sich damit retten will. Das bedeutet, dass er zu einer Beschuldigtenvernehmung durch die P o l i z e i nicht erscheinen braucht. Wird er jedoch von der Staatsanwaltschaft geladen, muss er zwar erscheinen, braucht aber keine Einlassungen zu machen.
Sobald die Strafverfolgungsbehörden von einer Straftat Kenntnis erlangen, m ü s s e n diese grundsätzlich von amtswegen (ex officio) ein Ermittlungsverfahren einleiten. Das bedeutet, dass auch wegen einer Falschverdächtigung zunächst in Richtung der (falsch) angezeigten Tat ermittelt werden muss.
Grundsätzlich sollte bereits bei Erhalt einer Ladung zur polizeilichen Vernehmung anwaltlicher Rat eingeholt werden. Der Anwalt wird sich fernmündlich mit den Strasfverfolgungsbehörden in Verbindung setzen und zunächst den Vernehmungstermin absagen sowie um Akeneinsicht nachsuchen. Vor Einsicht in die vollständige Ermittlungsakte durch einen Anwalt sollte sich der Beschuldigte keinesfalls zur Sache einlassen, da er unter Umständen einen Sachverhalt aktenkundig macht, der (noch) nicht ermittelt ist. Dann ist mit anwaltlicher Hilfe zu überlegen, ob und wie sich der Beschuldigte in diesem frühen Verfahrensstadium äußert.
Peter Schmidt, Rechtsanwalt und Strafverteidiger www.ra-ps.de