Rechtstipp im Strafrecht
"Kosten der Nebenklage" umfassen nicht die Gebühren für einen in der Hauptverhandlung geschlossenen Vergleich
Trägt ein Verurteilter die „Kosten der Nebenklage“ gemäß § 472 Abs. 1 S. 1 StPO, umfasst dies nicht die notwendigen Auslagen der Nebenklage für einen während der Hauptverhandlung geschlossenen Vergleich mit dem Verurteilten. Die jeweiligen notwendigen Auslagen für einen Vergleich trägt jede Vergleichspartei selbst, sofern der Vergleich selbst keine Regelung enthält. ( LG Wuppertal, Beschluss v. 07.09.2012 - 23 Qs 218/12) (Leitsatz vom Einsender)
Zum Sachverhalt:
Dem Angeklagten wurde die Begehung eines Sexualdelikts zur Last gelegt, das Opfer wurde als Nebenklägerin gemäß §§ 395, 396 StPO zugelassen, Ihr wurde ein Rechtsbeistand gemäß § 397a StPO bestellt. Dem Verurteilten wurde ein Verteidiger gemäß § 140 Abs. 1 Nr. 2 StPO bestellt. Im Rahmen der Hauptverhandlung schlossen die Nebenklägerin und der Verurteilte einen - auf Entschädigung in Geld gerichteten - Vergleich, der gerichtlich protokolliert wurde und keine ausdrückliche Regelung über die Kosten des Vergleichs enthielt.
Der Angeklagte wurde zu einer Haftstrafe verurteilt, deren Vollstreckung zu Bewährung ausgesetzt wurde. Er hatte die Kosten des Verfahrens und die „Kosten der Nebenklage“ zu tragen.
Die Nebenklägerin beantragte notwendige Auslagen nach den Nr. 4000 ff. VV RVG für Ihren Rechtsbeistand als Kosten gegen den Verurteilten festsetzen zu lassen, weiter beantragte die Nebenklägerin Auslagen nach Nr. 1000 VV RVG für den geschlossenen Vergleich als Kosten gegen den Verurteilten festsetzen zu lassen. Gegen die entsprechende Festsetzung wendete sich die erfolgreiche sofortige Beschwerde des Verurteilten.
Aus den Gründen.
Zutreffend führt der Beschwerdeführer aus, dass Auslagen der Nebenklägerin hinsichtlich des in der Hauptverhandlung … geschlossenen Vergleichs nicht von ihm zu tragen sind. Der Vergleich enthält keine Kosten- und Auslagenregelung. Insofern verbleiben die Auslagen der Nebenklägerin bei ihr. … Schließlich hat der Verurteilte nach dem rechtskräftigen Urteil vom … die Kosten des Verfahrens und der Nebenklage zu tragen. Zu diesen Kosten zählen indes nicht die für den Vergleich entstandenen Auslagen der Nebenklägerin über die der Vergleich selbst keine Regelung trifft.
Anmerkung/Praxistipp:
Einmal mehr zeigt sich, dass der Verteidiger oder Nebenklägervertreter auch die Systematik des RVG im Zusammenhang mit der StPO bei jedem seiner Schritte vor Augen haben muss. Dies gilt umso mehr, da man sich einem möglichen Regress durch den Mandanten bei Fehlentscheidungen ausgesetzt sehen könnte.
Die Nebenklage nach §§ 395 ff StPO ist ihrem Wesen nach eine Möglichkeit der umfassenden Beteiligungsbefugnis im gesamten Verfahren. Durch das Institut der Nebenklage wird dem jeweiligen Verletzten die Möglichkeit gegeben, insbesondere durch aktive Beteiligung wie Erklärungen, Fragen, Anträge, das Verfahrensergebnis zu beeinflussen, § 397 Abs. 1 S. 3 StPO - nicht weniger, aber auch nicht mehr. Die Tätigkeit als Nebenklägervertreter wird auch „nur“ nach den üblichen Gebührentatbeständen in Strafsachen vergütet - Eine Vergütung im Rahmen der Nebenklage erfolgt weder nach Nr. 1000 VV RVG, noch nach Nr. 4143 VV RVG, da Vergleichsverhandlungen über vermögensrechtliche Ansprüche im Rahmen der Nebenklage nicht vorgesehen sind.
Grundsätzlich kann nur ein Adhäsionsverfahren gemäß §§ 403 ff. StPO zur Geltendmachung von vermögensrechtlichen Ansprüchen, die zur Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte gehören, dienen. Auch hierfür kann ein Rechtsbeistand bestellt werden, § 404 Abs. 5 S. 1 StPO - auf Antrag mit der entsprechenden Kostenfolge - je nach Gerichtsbezirk und der dort herrschenden Ansicht mit einer Vergütung nach Nr. 1000 VV RVG oder 4143 VV RVG. Dann resultiert die Kostenfolge allerdings auch aus § 472a StPO und nicht „lediglich“ aus § 472 StPO. Patrick Lauterbach, Rechtsanwalt (Solingen)