Rechtstipp im Strafrecht
Euthanasie - Aufgabe der Differenzierung zwischen aktiver und passiver Sterbehilfe
Der Bundesgerichtshof hat mit Urteil vom 25.06.2010 über die Frage entschieden, ob man einen im Sterben liegenden Menschen, sterben lassen bzw. im Sterben begleiten darf, ohne sich selbst der Strafverfolgung auszusetzen.
Es geht um die Frage der Abgrenzung der Tötungsdelikte ( 211, 212, 216 StGB) zu der straflosen Sterbehilfe (Euthanasie).
Der BGH hat entschieden, dass der Behandlungsabbruch (aktiv, z.B. Durchtrennen des Schlauchs der PEG - Magensonde - Einstellung der künstlichen Ernährung) bei einem ohne Behandlung zu Tode führenden Krankheitsprozess dann gerechtfertigt ist, wenn dies dem tatsächlichen und mutmaßlichen Patientenwillen (Selbstbestimmungsrecht) entspricht und dazu dient dem zu Tode führenden Krankheitsprozess ohne Behandlung seinen Lauf zu lassen. Dies ergibt sich aus der grundrechtlichen Wertung des Art. 1 GG.
Der BGH hat aber auch klargestellt, dass gezielte Eingriffe in das Leben eines Menschen, die nicht in einem Zusammenhang mit dem Abbruch einer medizinischen Behandlung stehen, einer Rechtfertigung durch Einwilligung nicht zugänglich sind.
Der BGH differenziert bezüglich der Straflosigkeit von Sterbehilfe:
Die aktive direkte Sterbehilfe in Form der Tötung durch aktives Tun ist als Mord bzw. Totschlag gemäß §§ 211, 212 StGB strafbar.
Die aktive indirekte Sterbehilfe, wie insbesondere die als möglich voraussehbare und absehbare vorzeitige Tötung des Patienten durch Verabreichung schmerzlindernder Medikamente, welche aber für die Schmerzlinderung zwingend erforderlich sind, ist straflos. Die Ermöglichung des Todes in Würde zu sterben ist aufgrund des Selbstbestimmungsrechts des Patienten ein höheres Rechtsgut als die Aussicht einer kurzen Verlängerung der Lebenserwartung unter unerträglichen Schmerzen.
Der BGH hat entschieden, dass die Sterbehilfe durch Behandlungsunterlassung oder aktiven Behandlungsabbruch ebenso straflos ist, wenn der unheilbar erkrankte Patient eingewilligt hat, dass er keine lebenseerhaltenden Maßnahmen wünscht.
Bei der Prüfung der Tötungsdelikte gemäß §§ 211, 212, 216 StGB muss aus diesem Grunde in Zukunft stets geprüft werden, ob nicht die vorbenannten Kriterien einer straflosen aktiven oder passiven Sterberhilfe gegeben sind, insbsondere da der BGH die Differenzierung zwischen passiver und aktiver Strebehilfe bei Behandlungsaufgabe aufgegeben hat.