Rechtstipp im Strafrecht
Die Beiordnung eines Verteidigers nach § 408b StPO gilt auch für die auf den Einspruch anschließende Hauptverhanldung
Das OLG Celle hat mit Beschluss vom 22.02.2011 (2 Ws 415/10) entschieden, dass dem nach § 408b StPO beigeordneten Rechtsanwalt die Terminsgebühr aus Nr. 4108 VV RVG für die Teilnahme an der auf den Einspruch gegen den Strafbefehl anberaumten Hauptverhandlung zusteht.
Das OLG Celle führt dazu aus:
"Aus dem Gesetz selbst ergibt sich eine zeitliche begrenzung der Reichweite der Beiordnung nicht, da § 408b StPO - anders als etwa § 118a Abs. 2 Satz 3, § 350 Abs 3 Satz 1 und § 418 Abs 4 - eine solche Begrenzung nicht enthält. Der Verweis auf § 141 Abs. 3 StPO in § 408b Satz 2 StPO lässt sich als Argument für eine Beschränkung der Reichweite der Beiordnung nicht nutzbar machen.§ 141 Abs. 3 StPO betrifft die Bestellung des Verteidigers bereits im Vorverfahren, wobei diese Bestellung gerade nicht befristet ist, sondern regelmäßig für das gesamte Verfahren gilt.
Auch die Kompensationsfunktion des § 408b StPO als Ausgleich für die fehlende persönliche Anhörung des Angeschuldigten vor Erlass des Strafbefehls rechtfertigt die Annahme der zeitlichen Beschränkung der Beiordnung bis zur Entscheidung über den Erlass oder Nichterlassdes Strafbefehls nicht.
Die besondere prozessuale Situation, die durch die Beiordung nach § 408b StPO kompensiert werden soll, besteht in veränderter Form auch nach Erlass des Strafbefehls fort. § 411 StPO, welcher das Verfahren nach Einlegung des Einspruchsregelt, verweist in Abs. 2 Satz 2 nämlich auf § 420 StPO, nach dessen Abs. 4 im Verfahren vor dem Strafrichter Beweisanträge ohne Bindung an § 244 Abs. 3 StPO abgelehnt werden können. Zudem kann § 420 Abs. 1, Abs. 3 StPO bei zustimmung des Angeklagten, des Verteidigers oder Mitbeschuldigten durch Verlesung von Niederschriften über eine frühere Vernehmung oder Urkunden, die von der betreffenden Person erstellte schriftliche Äußerungen ernthalten, ersetzt werden.
Diese für das beschleunigte Verfahren bestimmte Erleichterung wird im beschleunigten Verfahren dadurch ausgeglichen, dass nach § 418 Abs. 4 StPO dem Angeklagten, der eine Freiheisstrafe von mindestens 6 Monaten zu erwarten hat, ein Verteidiger beizuordnen ist. Die Verhängung einer solchen Strafe wird in den Fällen der Pflichtverteidigerbestellung nach § 408b StPO häufig anzutreffen sein. § 408b verweist ineds nicht auf § 418 Abs. 4 StPO, obwohl § 408b Satz 2 StPO die Vorschrift über die Hauptverhandlung im beschleunigten Verfahren für anwendabr erklärt. Dieser fehlende Verweis spricht für die Fortgeltung der Beiordnung aus § 408b StPO auch für die auf den Einspruch gegen den Strafbefehl folgende Hauptverhandlung, denn es ließe sich nicht erklären, dass derjenige der über das Strafbefehlsverfahren und die Hauptverhandlung zu der nach § 410 StPO verkürzten Beweisaufnahme gelangt, keinen Pflichtverteidiger (mehr) hat, während dem Angeklagten gegen den das beschleunigte Verfahren betrieben wird, unter den Voraussetzungen des § 418 Abs. 4 StPO zwingend ein Pflichtverteidiger zu bestellen ist. Dies gitl umso mehr, da für denjenigen , der im Strafbefehlsverfahren verfolgt wird, weder das Verbot der reformation in peius, noch die im beschleunigten Verfahren geltende Beschränkung des § 419 Abs. 1 Satz 2 StPO, nach der weder eine über ein jahr hianusgehende Freiheitsstrafe noch eine Maßregel der Sicherung und Besserung angeordnet werden darf, gilt.
Da die Kompensationsfunktion der Verteidigerbeiordnung aus § 408b StPO somit nicht mit Erlass des Strafbefehls bzw. mit Einlegung des Einspruchs gegen diesen endet, steht auch die in den Gesetzesmaterialen enthaltende Begründung, die Pflichtverteidgerbestellung nach § 408b StPO sei wegen der besonderen prozessualen Situation geboten einer Erstreckung der Pflichtverteidigerbestellung über die einlegung des Einspruchs hinaus gerade nicht entgegen."