Rechtstipp im Steuerrecht
Daten CD - Ankauf Strafbar?
Zum Thema: Ankauf der „Steuersünderdateien“ durch den Staat bzw. einzelne Bundesländer?
Vorab: Es kann nicht mit Sicherheit gesagt werden, wie der
Anbieter an die Daten gelangt ist und wie sich die Verbindungen zum
aufkaufenden Staat darstellen; nach Verlautbarungen im Handelsblatt oder der FAZ scheint es jedoch weitgehend geklärt zu sein, wie der Staat an die Daten gelangt ist.
I. Wie können sich Anbieter und Aufkäufer strafbar machen oder strafbar
gemacht haben?
1. Diebstahl (§ 242 StGB) durch den Anbieter – und damit Hehlerei (§ 259
StGB) auf Seiten des Käufers -- scheiden entgegen landläufiger in diversen Talkshows geäußerter Meinungen erkennbar aus, da sich der Täter nicht die CD, sondern die Daten (Daten sind keine Sachen im Sinne des Diebstahlsparagraphen § 242) verschafft hat. Gerne wollen Politiker, um ihre Klientel zu schützen, dies so sehen. In der ernsthaften Literatur von Steuer- und Strafrechtlern ist dies jedoch einhellige Meinung .
2. Datenausspähung (§ 202 a StGB) durch den Anbieter, wenn der Anbieter
sich oder einem andern gegen Zugriff gesicherte und nicht für ihn, den Anbieter,
bestimmte Daten verschafft. Der "andere" wäre der Aufkäufer seitens des
Staates. Der Taterfolg ist eingetreten, wenn die Daten dem Einkäufer verschafft
sind. Damit erledigt sich auch die Frage der Anwendbarkeit deutschen Rechts
auf die Tat: wenn die Daten in Deutschland verschafft sind, ist der Erfolg in
Deutschland eingetreten (§ 9 StGB), also ist es eine Inlandstat. Da sie erst mit
dem Verschaffen vollendet (folglich auch -- entgegen häufig geäußerter
Talkshowansichten -- frühestens dann erst beendet) ist, ist bis dahin Teilnahme
möglich. In Betracht kommt Anstiftung (§ 26 StGB), wenn erst die Zahlung
(bzw. das Zahlungsversprechen) den Anbieter zur Tathandlung bestimmt.
3. Entsprechendes gilt für den Tatbestand des § 17 II Nr. 2 UWG, wenn der
Anbieter ein Geschäftsgeheimnis (als solches kommen die Daten wohl in
Betracht), das er sich aus Eigennutz durch Anwendung technischer Mittel
unbefugt verschafft hat, jemandem mitteilt. Dieser Jemand wäre der Ankäufer.
Für dessen Teilnahme gilt das zu 2 Gesagte.
Möglich auch ein Delikt nach § 17 II Nr. 1 UWG (unbefugtes Sichverschaffen
des Geheimnisses).
Variationen je nach Geschehensablauf: Beihilfe durch den Käufer (§ 27 StGB)
zu den oben bezeichneten Delikten, sofern der Käufer durch das gegenüber dem
Anbieter abgegebene Geldversprechen die Haupttat, die auch das
„Sichverschaffen“ i. S. des § 292 a StGB sein kann, gefördert hat. Die
Teilnahmehandlung (das gilt auch für die Anstiftung) ist wegen § 9 II 2 StGB
(limitierte Akzessorietät) auch an dem Ort begangen, an dem der Teilnehmer
handelt, also Inlandstat der Teilnahme (wenn das Zahlungsversprechen von
Deutschland aus abgegeben wurde), auch wenn die Haupttat im Ausland
begangen wird – selbst wenn die Haupttat dort nicht strafbar wäre.
Rechfertigungsgründe: sicher nicht der Umstand, dass sich der aufkaufende
Staat Millionen Steuereinnahmen erhofft. Der Zweck heiligt nicht die Mittel
(Schünemann, NStZ 2008, 308). Rechtfertigungsgrund ist insbesondere
nicht die Volksmeinung oder die Bildmeinung, die den Ankauf befürwortet.
Auch § 34 StGB (rechtfertigt Handeln des Staates in extremen Notsituationen)
scheidet hier erkennbar aus.
Die Bundesregierung vertritt demgegenüber nach Verlautbarungen aus dem
Bundesministerium der Finanzen (unter bisherigem Schweigen der
Justizministerin) die Straflosigkeit der als Aufkäufer fungierenden Mitarbeiter
des Staates. Bemerkenswert, dass der Münchener Strafrechtslehrer Prof. Sieber zum
vergleichbaren Problem des seinerzeitigen Erwerbs der Datei aus Liechtenstein
(NJW 2008, 881, 885) allenfalls einen Verbotsirrtum (der allerdings nur bei
Unvermeidbarkeit zur Straflosigkeit führt) der Staatsbediensteten erwägt.
II. Verwertbarkeit der Daten als Beweismittel?
Das deutsche Strafprozessrecht kennt nicht die „fruit-of-the-poisonous-tree-
Doktrin“. Auch rechtswidrig erlangte Beweise sind nicht grundsätzlich
„vergiftet“ (unverwertbar). Die Strafgerichte folgen der vom BVerfG
(Nichtannahmebeschluss vom 2. 7. 09, 2 BvR 2225/09) gebilligten
Abwägungslehre (Strafverfolgungsinteressen ./. Individualinteresse). Allerdings
kann ein Verwertungsverbot daraus resultieren, „dass die zur Fehlerhaftigkeit
der Ermittlungsmaßnahme führenden Verfahrensverstöße schwerwiegend waren
oder bewusst oder willkürlich begangen wurden.“
Wenn die Ermittlungsmaßnahme eine Straftat verwirklicht, dürfte Willkür
zumindest erwogen werden.
Daher sollte sich kein Steuersünder auf abstruse Meinungen von Volksvertretern berufen. Gerade in Baden-Württemberg könnte durch Stuttgart 21 im kommenden Jahr eine neue Regierung den Ankauf von Daten-CD ganz anders sehen und die Staatskasse füllen wollen.