Rechtstipp im Sportrecht
Allgemeine Verhaltensregeln für Bergsteiger
Allgemeine Verhaltensregeln für Bergsteiger
Auswirkungen des Urteils OLG Stuttgart vom 26.07.2006
für die Ausübung des Freizeitsports
Mit Urteil vom 26.07.2006 hat das Oberlandesgericht Stuttgart die Berufung der
Beklagten gegen das Urteil der ersten Instanz vor dem Landgericht Heilbronn
zurückgewiesen. Das Urteil des Landgerichts Heilbronn wurde vollumfänglich bestätigt.
In dem zu entscheidenden Fall ging es um die Frage, ob die Beklagte eine Ersatzpflicht trifft, nachdem diese bei einem Absturz von einem Wanderweg beim Bergwandern den Tod des Ehemanns der Klägerin verursacht hat. Zum Absturz der Beklagten kam es nach den Feststellungen des OLG Stuttgart dadurch, dass sich die Beklagte aufgrund gefahrerhöhenden Verhaltens nicht an einer möglichen und aufgrund der Wegverhältnisse nahe liegenden vorhandenen Sicherungskette festhielt. Die Beklagte stürzte einen steilen Abhang in Laufrichtung links herab.
Voraussetzung einer Ersatzpflicht ist, dass die Beklagte eine bestehende
Verkehrssicherungspflicht verletzt hat und sich diese schadenskausal ausgewirkt hat. Der Umstand, dass die Beklagte den Wanderweg nicht ganz rechts beschritt, ist für sich genommen – aufgrund der Lage und der Eigenheiten des Wanderwegs – ein Verstoß gegen allgemein bestehende Sorgfaltspflichten, sich grundsätzlich so zu verhalten, dass kein anderer nach den Umständen unvermeidbar gefährdet oder sogar geschädigt wird.
Der Verstoß gegen diese Sorgfaltspflicht ist jedoch nicht schadenskausal, da im
vorliegenden Fall nicht ausgeschlossen werden konnte, dass die Beklagte nicht trotzdem gestürzt wäre, hätte sie den Wanderweg ganz rechts beschritten.
Auch aus der Tatsache, dass die Beklagte im Zeitpunkt ihres Ausrutschens ihre damals 3-jährige Tochter an der Hand führte, hat das Gericht nicht ohne weitere Umstände eine Haftung abgeleitet. Es ist generell nicht verboten mit einem Kind in den Bergen zu wandern.
Eine Haftung der Beklagten resultiert jedoch aus der Gesamtheit der Umstände. Die Beklagte hat sich unstreitig gefahrerhöhend verhalten. Die Beklagte führte ihre zumdamaligen Zeitpunkt 3-jährige Tochter an der Hand und hatte aus diesem Grund ihre Aufmerksamkeit auf das Kind ausgerichtet, hatte den Wanderweg nicht ganz rechts beschritten und hatte es unterlassen, die zur Absicherung angebrachte Sicherungskette an der Felswand im Bereich der Absturzstelle zu benutzen.
Aufgrund des gefahrerhöhenden Verhaltens der Beklagten war daher zu fordern, dass sie das dargebotene Sicherungsmittel nutzte.
Eine Ersatzpflicht der Beklagten wurde folgerichtig angenommen.
Der vom OLG Stuttgart zu entscheidende Fall zeigt deutlich die Gefahren und das damitverbundene Haftungsrisiko im Freizeitsport auf. Grundsätzlich besteht bei jeder sportlichen Betätigung die allgemeine Verhaltenspflicht, sich so zu verhalten, dass andere nicht unvermeidbar gefährdet oder sogar geschädigt
werden. Oftmals finden sich von Verbänden oder öffentlichen Trägern erarbeitete
Verhaltensregeln für die Ausübung einer Sportart im jeweiligen Sportgebiet, wie z.Bsp.die Verhaltensregeln des Internationalen Skiverbandes FIS für den Wintersport. Hierbei handelt es sich um allgemein verbindliche Verhaltens-regeln, die jeder Sportler bei der Sportausübung zu beachten hat. Es ist daher für jeden Sportausübenden klar und deutlich erkennbar, welche Sorgfaltsanforderung zum eigen Schutz und zum Schutz anderer einzuhalten hat. Werden diese Verhaltensregeln nicht eingehalten und kommt aufgrund dieses Verstoßes ein andere zu Schaden, kann eine Ersatzpflicht bestehen.
Abzugrenzen sind jedoch allgemein verbindliche Verhaltensregeln von sog.
Empfehlungen. Bei Empfehlungen und Hinweisen von Sport- bzw. Dachverbänden oder
öffentlichen Trägern für die Sportausübung, wird der Sporttreibenden sensibilisiert und auf die Gefahren, die mit der Sportausübung einhergehen, hingewiesen. Ob im Einzelfall in einer solchen Empfehlung von einer allgemein verbindlichen Sorgfaltspflicht ausgegangen werden kann, ist fraglich und lediglich unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls zu entscheiden. Verstöße gegen Empfehlungen oder Hinweisekönnen grundsätzlich im Rahmen des Verschuldens bzw. Mitverschulden zu berücksichtigen sein.
Eine weitere Einschränkung des Grundsatzes der allgemeinen Haftung kann dann in
Betracht kommen, wenn es sich um besonders risikobehaftete Sportarten handelt, wie z.Bsp. beim American Football oder bei Kampfsportarten. Bei diesen Sportarten nimmt der teilnehmende Sportler das der Sportausübung innewohnende Gefahren- und Verletzungspotenzial bewusst billigend in Kauf, so dass es im Falle einer Verletzungshandlung entweder bereits an einer Sorgfaltspflichtverletzung mangelt oder diese Verletzungshandlung gerechtfertigt ist. Es würde geradezu widersinnig erscheinen, sich auf einen Sorgfaltspflichtverstoß zu berufen, wenn sich gerade das sportimmanente
Risiko verwirklicht hat. Denn ohne den bewussten Eingang des sportimmanenten Risikos ist meist eine sportliche Betätigung nicht möglich.
Für eine persönliche Beratung zu diesem Themenfeld steht Ihnen Rechtsanwalt Helge-Kristian Münkel jederzeit gerne zur Verfügung.