Rechtstipp im Medizinrecht
Voraussetzungen der wirksamen Abtretung im zahn-/ ärztlichen Bereich
1. Einführung
Ärztliche bzw. zahnärztliche Verrechnungsstellen werden häufig von Praxen hinzugezogen, um sich der administrativen Tätigkeit im Rechnungs- und Mahnwesen zu entledigen und die Liquidität zu verbessern, indem sie Forderungen an diese verkaufen und abtreten. Dies geschieht im Wege des sog. Factoring.
2. Voraussetzungen
Voraussetzung für die Einschaltung einer ärztlichen Verrechnungsstelle ist jedoch das vorherige schriftliche Einverständnis des Patienten, welches z.B. durch eine vor Datenweitergabe zu unterzeichnende Einverständniserklärung eingeholt werden sollte.
Die Datenweitergabe setzt ein ausdrückliches Einverständnis des Patienten voraus; eine stillschweigende Zustimmung (z.B. durch Wartezimmeraushang) genügt nicht. Es reicht auch nicht aus, dass der Patient in der Vergangenheit die Abrechnung über die Verrechnungsstelle nicht beanstandet hat. Das Einverständnis des Patienten bedarf der Schriftform (§ 4 Abs. 2 des Datenschutzgesetzes).
Zwar sind die privaten Verrechnungsstellen in § 203 Abs. 1 Nr. 6 Strafgesetzbuch (StGB) ausdrücklich als der Schweigepflicht unterliegend aufgeführt, dennoch würde sich der ohne die Zustimmung des Patienten handelnde Arzt sich bei Weitergabe eines Verstoßes gegen die ärztliche Schweigepflicht schuldig machen und sich ggfls strafbar machen.
Zu beachten ist auch, dass die mit der Weiterleitung an die Verrechnungsstelle verbundene Forderungsabtretung nach § 134 des Bürgerlichen Gesetzbuches nichtig wäre, wenn nicht die ausdrückliche schriftliche Einwilligung eingeholt wird (BGH, Entscheidung vom 10. Juli 1991 - VIII ZR 296/90). Dies bedeutet, dass der Patient nicht verpflichtet wäre, an die Verrechnungsstelle zu zahlen.
Die Rechtsprechung hat Voraussetzungen aufgestellt, die zur Wirksamkeit der Abtretung (zahn)ärztlicher Honorarforderungen erfüllt sein müssen (insbesondere BGH, Urt. v. 20.05.1992, VIII ZR 240/91, NJW 1992, 2348ff. und OLG Karlsruhe, Urt. v. 15.10.1997, 13 U 8/96, NJW 1998, 831ff.). Die Zustimmung des Patienten muss insbesondere folgende Punkte umfassen:
- die Zustimmung zur Weitergabe der zum Zwecke der Abrechnung jeweils erforderlichen Daten aus der Patientenkarte (Name, Geburtsdatum, Anschrift, Behandlungsdatum, Leistungsziffern, Beträge, Befunde) an die die Abrechnungsstelle;
- die Zustimmung zur Abtretung der sich aus der Abrechnung ergebenden Forderung an die Abrechnungsstelle und ggfls. zur Weiterabtretung der Forderung durch die Abrechnungsstelle an die refinanzierende Bank;
- den Hinweis, dass im Rahmen einer eventuellen Auseinandersetzung der Behandler als Zeuge gehört werden kann und
- die Erklärung, dass der Behandler insoweit vollumfänglich von seiner ärztlichen Schweigepflicht entbunden wird.
Das Erfordernis des Einverständnisses entspricht § 4 Abs. 1 a. E. Bundesdatenschutzgesetzt (BDSG) und einer vorangegangenen Rechtsprechung, wonach es gegen die ärztliche Schweigepflicht verstößt, wenn ein Arzt ohne das ausdrückliche Einverständnis des Patienten dessen Daten an einen Dritten, sei es eine gewerbliche oder auch berufsständische Verrechnungsstelle, weitergibt (BGH NJW 1993, 2371; BGH NJW 1991, 2955; OLG Düsseldorf, NJW 1994, 2421; OLG Stuttgart, AHRS 0457/7)
Ein wirksames Einverständnis i. S. von § 203 I Nr. 1 StGB setzt voraus, dass der Einwilligende eine im wesentlichen zutreffende Vorstellung davon hat, worin er einwilligt, und die Bedeutung und Tragweite seiner Entscheidung zu überblicken vermag. Er muss deshalb wissen, aus welchem Anlass und mit welcher Zielsetzung er welche Personen von ihrer Schweigepflicht entbindet, und über Art und Umfang der Einschaltung Dritter unterrichtet sein (BGH, NJW 1992, 2348).
Die Abtretung ist nach den allgemeinen Vorschriften des BGB möglich. Die Datenweitergabe richtet sich nach den §§ 4, 4a BDSG, welche dem Schutzbedürfnis des Einzelnen vor Nutzung sensibler Daten Rechnung tragen. Nach § 4 I BDSG ist die Nutzung personenbezogener Daten mit Einwilligung des Betroffenen möglich. § 4 a l BDSG regelt die Voraussetzungen dieser Einwilligung.
Diese sind gewahrt, wenn obige Punkte erfüllt sind und insbesondere die Schriftform der Einwilligung gewahrt ist. Die Erklärung muss sich auf die Abtretung und damit verbundene Datenweitergabe beziehen, § 4a l 4 BDSG, eine besondere Hervorhebung ist nicht erforderlich. Auch wird hierdurch der Zweck der Datenweitergabe mitgeteilt, § 4 a l 2 BDSG.
Eine Einverständniserklärung kann zudem den Zusatz enthalten, dass diese Zustimmung auch für zukünftige Behandlungen gelten soll. Somit ist es nicht notwendig, vor jeder Behandlung erneut das Einverständnis des Patienten einzuholen. Jedoch sollte eine Einverständniserklärung den Zusatz enthalten, dass für den Patienten die Möglichkeit besteht, die Zustimmung vor weiteren Behandlungen jederzeit widerrufen zu können.
Die Anforderungen der Rechtsprechung sind in den letzten Jahren nahezu unverändert geblieben. Einige aktuellere Entscheidungen, die die Wirksamkeit der Forderungsabtretung bei Berücksichtigung obiger Voraussetzungen bejahten, sind OLG Celle, 11 U 88/08, Urteil vom 11.09.2008, LG Köln, 3 O 369/09, Urteil vom 02.03.2010, sowie LG Bonn, 5 S 102/09, Beschluss vom 25.06.2009.
Sofern sich also ein Arzt bzw. Zahnarzt vor der Datenweitergabe von seinen jeweiligen Patienten eine Einverständniserklärung unterzeichnen lässt, die vorstehende Punkte berücksichtigt, steht einer wirksamen Abtretung der Forderung an ein Rechenzentrum nichts im Wege.
Jan Lehr
Rechtsanwalt