Rechtstipp im Medizinrecht
SG Detmold: Die kontinuierliche Glukosemessung ist keine neue Untersuchungs- und Behandlungsmethode
Das Sozialgericht Detmold (S 5 KR 325/09) qualifizierte in einem Urteil vom 01.12.2010 die kontinuierliche Glukosemessung mit dem Freestyle Navigator nicht als eine neue Untersuchungs- und Behandlungsmethode.
Bei der kontinuierlichen Glukosemessung (Abkürzung CGM) wird mittels eines Sensors, der schmerzfrei im Unterhautfettgewebe platziert wird, alle fünf Minuten bzw. jede Minute der Glukosegehalt im Unterhautfettgewebe gemessen. Ein mit dem Sensor verbundener Transmitter gibt die Messwerte per Bluetooth an einen Empfänger weiter. Auf dem Display des Empfängers erscheint der gemessene Glukosewert und eine Verlaufskurve der letzten 24 Stunden. Außerdem kann die Empfänger am PC ausgelesen werden. Trendpfeile informieren, ob und wie schnell sich der Glukosegehalt ändert. Es können individuelle akustische Alarme programmiert werden, die rechtzeitig vor zu hohen oder zu niedrigen Werten warnen. Der Diabetiker kann so erstmals rechtszeitig seinen Stoffwechsel beeinflussen. Viele Diabetiker erfahren durch die kontinuierliche Glukosemessung eine Erhöhung der Lebensqualität und können ihre Stoffwechsellage optimieren ohne Hypoglykämien in Kauf nehmen zu müssen.
Der Kläger leidet seit 1972 an Diabetes Mellitus Typ I. Es liegen bereits entsprechende Folgekomplikationen vor. Die Werte des Klägers unterliegen starken unerklärlichen Schwankungen mit Hypoglykämien.
Der Kläger konnte nachweisen, dass er nachts regelmäßig Hypoglykämien mit Hilfe des Freestyle Navigator verhindern konnte. Drei bis vier Mal pro Nacht den Blutzucker auf herkömmliche Art und Weise zu messen, sei nicht zumutbar, so das Gericht.
In Anbetracht der Kosten für Blutzuckerteststreifen sei die Ausstattung von Patienten mit einer hohen streubreite der Glukosewerte auch wirtschaftlich und sachgerecht.
Das Gericht wies darauf hin, dass der Leistungsanspruch gerechtfertigt sei wegen der persönlichen Situation des Klägers und aufgrund der Tatsache, dass der Kläger das nötige technische Verständnis und einen sehr verantwortungsbewußten Umgang mit seiner Diabeteserkrankung mitbringe, um das Hilfsmittel auch effizient nutzen zu können.
Es ist sehr zu begrüßen, dass das SG Detmold die kontinuierliche Glukosemessung nicht als eine neu Untersuchungs- und Behandlungsmethode qualifiziert. Die gesetzlichen Krankenkassen lehnen aktuell fast alle Anträge von Diabetikern auf Versorgung mit einem CGM ab, da es sich um eine neue Untersuchungs- und Behandlungsmethode gem. § 135 Abs. 1 SGB V handeln soll. Denn neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden dürfen in der gesetzlichen Krankenversicherung im ambulanten Bereich nur dann erbracht werden, wenn der Gemeinsame Bundesausschuss, der den Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenkassen festlegt, eine positive Bewertung ausgesprochen hat. Ein solches Bewertungsverfahren gibt es für CGM noch nicht und es erscheint auch fraglich, ob es jemals so weit kommen wird. Die Hersteller von CGM Systemen können nach der aktuellen Rechtslage ein solches Bewertungsverfahren nicht beantragen.
Es ist zu hoffen, dass sich auch andere Gerichte der Ansicht des SG Detmold anschließen werden. Betroffenen ist zu raten, weiterhin eine Kostenübernahme für CGM bei der gesetzlichen Krankenkasse zu beantragen und den Antrag notfalls auch gerichtlich zu verfolgen.