Rechtstipp im Medizinrecht
Fälligkeit der zahnärztlichen Liquidation und Erfordernis neuer Rechnungsausstellung bei Abrechnungsfehlern im Rechtsstreit
Fälligkeit der zahnärztlichen Liquidation und Erfordernis neuer Rechnungsausstellung bei Abrechnungsfehlern im Rechtsstreit
Immer wieder wird im Rahmen zahnärztlicher Honorarprozesse von Patientenseite eingewandt, dass eine zahnärztliche Forderung nicht fällig sei, da noch Nachbesserungsarbeiten im Gange wären und die Versorgung derzeit angeblich noch mangelbehaftet sei.
In diesem Kontext berufen sich Patienten ebenfalls häufig auf ein vermeintliches Zurückbehaltungsrecht.
Letzteres scheidet bereits aus dem Grunde aus, dass der Zahnarztvertrag nach ständiger Rechtsprechung und herrschender Literatur als Dienstvertrag im Sinne des § 611 BGB zu qualifizieren ist (grundlegend: BGH, Urt. v. 09.12.1974, VII ZR 182/73, NJW 1975, 305ff.; siehe auch Palandt/Heinrichs, BGB, 65. Aufl. 2006, Einf v § 611 Rn. 18; Busche in Münchener Kommentar zum BGB, 4. Aufl. 2005, § 631 Rn. 240 m.w.N.).
Der Arzt verspricht regelmäßig nur die sachgerechte Behandlung des Kranken, also seine ärztliche Tätigkeit, nicht aber den gewünschten Erfolg, die Heilung des Kranken. Auch beim Bemühen um die Erhaltung gefährdeter Zähne garantiert der Zahnarzt nicht die Rettung der Zähne, sondern verspricht lediglich, dass er die allgemein anerkannten Grundsätze der Zahnmedizin beachten und geeignetes Material verwenden werde (BGH, a.a.O.). Eine Garantie für den Eintritt des Heilungserfolgs bzw. der Erhaltung der Zähne kann der Zahnarzt schon deshalb nicht geben, weil dies nicht allein von seinen Fähigkeiten, sondern in erheblichem Umfang auch von der individuellen Disposition des Patienten und äußeren Umständen abhängt, die der Zahnarzt nicht beeinflussen kann (BGH, a.a.O.).
Ansprüche gemäß § 634 BGB bestehen daher nicht. Sonstige Gewährleistungsansprüche – insbesondere ein Recht zur Minderung der Vergütung - bestehen ebenfalls nicht, denn das Dienstvertragsrecht kennt solche nicht (BGH, Urt. v. 15.07.2004, IX ZR 256/03, NJW 2004, 2817ff. zum Vergütungsanspruch des Rechtsanwalts).
Ein Zurückbehaltungsrecht steht dem Patienten ebenfalls nicht zu, da ein solches im Ergebnis auf eine Minderung hinaus liefe.
Aber auch der Einwand angeblich mangelnder Fälligkeit wegen noch nicht abgeschlossener Behandlung bzw. noch andauernder Nachbesserung geht fehl.
Die Fälligkeit einer zahnärztlichen Forderung beurteilt sich allein nach Maßgabe von § 10 GOZ.
Demnach wird die (zahn)ärztliche Rechnung fällig, wenn die Rechnung die formellen Voraussetzungen in § 10 Abs. 2 bis 4 GOZ erfüllt.
Besonders hervorzuheben ist dabei, dass die Fälligkeit nicht davon berührt, dass die Rechnung mit dem materiellen Gebührenrecht nicht übereinstimmt (BGH, Urt. v. 21.12.2006, III ZR 117/06 zum weitgehend inhaltsgleichen § 12 GOÄ).
Zweck der komplexen Regelung über den notwendigen Inhalt einer Rechnung ist es, dem Zahlungspflichtigen, von dem weder medizinische noch gebührenrechtliche Kenntnisse erwartet werden können, eine Grundlage für eine Überprüfung der in Rechnung gestellten Leistungen zu geben (BGH, a.a.O., Rn. 13).
Steht die Prüffähigkeit einer in Rechnung gestellten (zahn)ärztlichen Leistung im Vordergrund, kommt es für die Fälligkeit der Forderung nicht darauf an, ob sich der vom Arzt in Anspruch genommene Gebührentatbestand als (materiell) berechtigt erweist (BGH, a.a.O., Rn. 14).
Entsprechend hat sich auch das OLG München geäußert, indem es konstatierte, dass § 10 Abs. 1 GOZ nicht die die Erteilung einer richtigen, sondern die Erteilung einer prüfbaren Rechnung vorschreibe (vgl. OLG München, Beschluss vom 07.02.1994, Az: 27 W 10/94).
Etwaige inhaltliche Fehler spielen daher im Hinblick auf die Fälligkeit einer zahnärztlichen Liquidation keine Rolle.
Am Rande sei angemerkt, dass auch ein inhaltlicher Fehler in der Vergütungsberechnung eines Rechtsanwalts nicht die Wirksamkeit der Mitteilung der Berechnung (§ 10 RVG) berührt; der Mandant muss allerdings nur die wirklich geschuldeten Gebühren und Auslagen zahlen (vgl. Mayer/Kroiß, RVG, 4 Aufl., § 10 Rn 35)
Ferner ist zu beachten, dass, sollte sich im Rechtsstreit im Rahmen einer Beweiserhebung durch Einholung eines Gutachtens andeuten, dass eine vom (Zahn)Arzt in Anspruch genommene Gebührenposition nicht einschlägig ist, aber eine andere, nicht berechnete berechtigt wäre, der (Zahn)Arzt nicht gezwungen ist, eine korrigierte Rechnung auszustellen (BGH, Urt. v. 21.12.2006, III ZR 117/06, Rn. 16 zum weitgehend inhaltsgleichen § 12 GOÄ).
Der (Zahn)Arzt muss sich grundsätzlich die Möglichkeit offen halten können, die zu erwartende Entscheidung über die Unbegründetheit der von ihm in Anspruch genommenen Gebührenposition im Rechtsmittelweg überprüfen zu lassen (BGH, a.a.O.).
Andererseits kann es ihm nicht versagt werden, im maßgebenden Punkt wenigstens einen Teilerfolg zu erzielen (BGH, a.a.O.).
Tritt also im Rechtsstreit hervor, welche Beträge bei Zugrundelegung anderer Gebührennummern berechtigt wären, hat das Gericht hierüber eine Entscheidung zu treffen, ohne dass es einer vorherigen Reduzierung der Klageforderung und Ausstellung einer neuen Rechnung bedürfte (BGH, a.a.O.).
Matthias Mayer
Rechtsanwalt