Rechtstipp im Medizinrecht
Der Steigerungsfaktor nach der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ)
1.
Nach § 5 Abs. 1 GOÄ bemisst sich die Höhe der einzelnen Gebühr in der Regel nach dem 1- bis 3,5-fachen des Gebührensatzes bemisst. Dabei ist der Gebührenfaktor nach § 5 Abs. 2 GOÄ innerhalb des Gebührenrahmens unter Berücksichtigung der Schwierigkeit und des Zeitaufwandes der einzelnen Leistungen sowie der Umstände der Ausführung der konkreten Behandlung zu bestimmen.
Die Bestimmung obliegt ausschließlich dem behandelnden Arzt aufgrund der konkreten Behandlung nach billigem Ermessen. Das heißt, dass seine Entscheidung nicht im Einzelnen nachgeprüft werden kann. Lediglich die Frage, ob er sein Ermessen angewandt und richtig ausgeübt hat, kann gerichtlicher Nachprüfung unterliegen.
Eine richtige Ermessensausübung erfordert, für den nach allen Bemessungskriterien einfachst gelagerten Fall den Einfachsatz zu bemessen. Für den nach allen Bemessungskriterien schwierigeren Fall ist der 3,5-fache Faktor anzusetzen
Ein - nach den Bemessungskriterien - Fall von mittlerer Schwierigkeit, durchschnittlichem Zeitaufwand und normalen Umständen der Ausführung (Mittelfall) ist in der Mitte dieses Gebührenrahmens mit dem sogenannten Mittelwert oder Regelsatz von 2,3 anzusetzen (BGH, Urteil vom 08.11.2007 – III ZR 54/07, Hoffmann, GOÄ, C I, § 5 Anmerkung 5; Brück, GOÄ, § 5 Randnummer 1.2, 13).
Dem steht § 5 Abs. 2 Satz 4 GOÄ nicht entgegen, wonach "in der Regel" eine Gebühr nur zwischen dem 1-fachen und dem 2,3-fachen Gebührensatz bemessen werden darf. Diese reduzierte Gebührenspanne (Regelspanne) begründet nach dem Aufbau des § 5 GOÄ keine weitere Ermessensausübung. Diese Regel stellt lediglich eine weitere Ausführungsbestimmung zu dem nach Satz 1 anzustellenden Ermessen dar.
Wollte man den Arzt daran binden, eine Überschreitung des 2,3-fachen Satzes nur im Ausnahmefall vorzunehmen, so hätte dies zur Folge, dass es sich bei der verordnungsgemäßen Gestaltung der Gebührenspanne in Wahrheit nicht um das 1-fache bis 3,5-fache, sondern um das 1-fache bis 2,3-fache handeln würde.
Ein Überschreiten des 2,3-fachen Satzes ist zulässig, wenn Besonderheiten der eben genannten Bemessungskriterien dies rechtfertigen (§ 5 Abs. 2 GOÄ). Nach § 12 Abs. 3 S. 1 GOÄ muss eine Überschreitung des 2,3-fachen Gebührensatzes schriftlich in der Rechnung begründet werden. Diese Begründung muss anhand der Kriterien des § 5 Abs. 2 GOÄ erfolgen. Es sind also Schwierigkeit, Zeitaufwand der einzelnen Leistung sowie die Umstände bei der Ausführung zu beachten.
2.
Grundsätzlich ist festzustellen, dass kurze, klare und stichwortartige Begründungen ausreichend sind (vgl. Amtliche Begründung zur GOÄ, BR Drucksache 276/87, S. 78).
Dass hierbei ein „Telegrammstil“ verwendet wird, ist nicht nur zulässig, sondern praxisüblich und nicht zu beanstanden (LG Köln, Beschluss vom 09.08.2012 – Az 3 S 4/12)
Da die Begründung zunächst als stichwortartige Kurzbegründung in der Arztliquidation zu geben ist, lassen sich Standardisierungen in der Formulierung nicht vermeiden.
3.
Nur wenn der Patient eine nähere Erläuterung der Begründung verlangt, ist darzulegen, welche Besonderheiten zum Ansatz eines höheren Gebührensatzes geführt haben. Aber auch hier genügen stichwortartige Kurzbegründungen. Wäre der Zahnarzt von vornherein zu einer ausführlichen Begründung verpflichtet, wäre seine Verpflichtung zu näherer Erläuterung gegenüber dem Patienten, wie es im § 12 Abs. 3 Satz 2 GOÄ vorgegeben ist, aber sinnlos.
Da § 12 Abs. 3 Satz 2 GOÄ ausdrücklich vorsieht, dass der Arzt nur auf Verlangen die gegebene Begründung näher zu erläutern hat, kann eine kurz gefasste, aber auf die einzelne Leistung bezogene Begründung nicht dazu führen, dass die berechnete Vergütung nicht fällig wird.
4.
Es bleibt festzuhalten, dass die Begründung des Arztes von der Privaten Krankenversicherung oder Beihilfestelle oder einer sonstigen Erstattungsstelle nur sehr beschränkt nachgeprüft werden darf. Die fachliche Kompetenz für die Begründung liegt allein beim behandelnden Arzt.
5.
Beim Vorliegen einer Honorarvereinbarung nach § 2 Abs. 1 und 2 GOÄ ist ganz überwiegend anerkannt, dass bei Vereinbarung eines Steigerungssatzes, der oberhalb des jeweiligen Gebührenrahmens liegt, die Begründung nach § 12 Abs. 2 Satz 2 GOÄ durch Hinweis auf diese Vereinbarung gegeben werden kann (Goetz-Matzke-Schirmer, Anm. 2 zu § 2, LG Stuttgart NJW 85, 688f.; OVG Rheinl.-Pfalz Urt. v. 30. 10. 1991 – 2A10662/91 –; a.A. LG Hannover, Urt. v. 17. 2. 1988 – II S 345/87 –, MedR 1988, 192).
6.
In prozessualer Hinsicht weist der Autor abschließend noch darauf hin, dass die Begründung für einen das 2,3 fache übersteigenden Steigerungssatz auch noch nachträglich nachgeschoben oder nachgebessert werden kann, und zwar entsprechend allgemeinen prozessualen Grundsätzen bis zum Schluss der letzten mündlichen Verhandlung (OVG Lüneburg, NVwZ - RR 2010, 246; Landgericht Memmingen, Urteil vom 04.01.2011, Az.: 2 01322/06)
Matthias Mayer
Rechtsanwalt