Rechtstipp im Internetrecht
Änderungen durch das Gesetz zur Umsetzung der Verbraucherrechterichtlinie (ab dem 13.06.2014) insbesondere mit Blick auf den elektronischen Handel
Änderungen durch das Gesetz zur Umsetzung der Verbraucherrechterichtlinie (ab dem 13.06.2014) insbesondere mit Blick auf den elektronischen Handel
I.
Die EU-Richtlinie über Rechte der Verbraucher (Verbraucherrechterichtlinie) ist am 22. November 2011 verkündet worden.
Ziel der Richtlinie ist es, durch eine Angleichung des Rechts der Mitgliedstaaten zu einem ordnungsgemäßen Funktionieren des Binnenmarktes und zu einem hohen Verbraucherschutzniveau beizutragen. Die Richtlinie geht vom Grundsatz der Vollharmonisierung aus.
Die Umsetzung der Richtlinie in das deutsche Recht erfolgt mit dem Gesetz zur Umsetzung der Verbraucherrechterichtlinie und zur Änderung des Gesetzes zur Regelung der Wohnungsvermittlung. Der Deutsche Bundestag hat das Gesetz am 14. Juni 2013 verabschiedet. Die neuen Vorschriften treten am 13. Juni 2014 in Kraft.
Folgende Änderungen sind vorgesehen:
1. Der Untertitel 2 im Buch 2 Abschnitt 3 Titel 1 wird neu benannt, neu gegliedert und vollständig neu gefasst.
2. Das "Haustürgeschäft" wird zum weiter gefassten "Geschäft außerhalb von Geschäftsräumen" (§ 312 b BGB Neu).
3. Neu sind umfangreiche Informationspflichten im stationären Handel (außer bei Geschäften des täglichen Lebens) (§ 312 a II BGB, Art 246 EGBGB Neu).
4. Die Regelungen zur Informationspflicht bei Fernabsatzverträgen und außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen werden weitestgehend angeglichen.
5. Neue Vorschrift zur Folge von unterbliebener Unterrichtung (z.B. bei Frachtkosten etc), § 312 e BGB Neu).
6. Das Widerrufsrecht wurde neu strukturiert und neu gefasst, der Verweis auf das Rücktrittsrecht entfällt - es befinden sich hier nun eigene Regeln bezüglich der Widerrufsfolgen in § 357 BGB Neu.
7. Bei fehlerhafter/unterbliebener Belehrung erlöscht die Widerrufsfrist nunmehr 12 Monaten und 14 Tage nach dem regulären Fristende (§ 356 III BGB Neu).
8. Die Vertragstypen, bei welchen kein Widerrufsrecht gilt, finden sich in § 312 g II BGB Neu.
9. Der Widerruf muss nun seitens des Käufers ausdrücklich erklärt werden, die bloße wortlose Rücksendung der Waren reicht nicht mehr aus (§ 355 I BGB Neu).
10. Der Unternehmer trägt die Kosten der Lieferung (es sei denn der Verbraucher wünscht eine kostenintensivere Lieferung wie etwa eine Expresssendung), der Verbraucher grundsätzlich die Kosten der Rücksendung (§ 357 BGB Neu).
11. Der Unternehmer hat ein Zurückbehaltungsrecht bis zum Erhalt der Ware (§ 357 IV BGB Neu).
12. Es gibt neue Regelungen zur Widerrufsfolge bei bereits erfolgter Lieferung von Strom, Wasser oder Gas in § 357 VIII BGB (Wertersatz).
13. Im elektronischen Geschäftsverkehr haben Unternehmer künftig anzugeben, ob Lieferbeschränkungen bestehen und welche Zahlungsmittel akzeptiert werden (§ 312 j BGB Neu).
14. Für die Rückzahlung hat der Unternehmer das gleiche Zahlungsmittel zu verwenden welches der Verbraucher zur Zahlung verwendet hat, es sei denn, es wurde etwas anderes vereinbart.
15. Zusätzliche Kosten (die über die vertragliche Gegenleistung hinaus gehen) bedürfen der ausdrücklichen Zustimmung des Verbrauchers, vorangekreuzte Kästchen reichen nicht aus (z.B. Reiserücktrittsversicherung) (§ 312 a III BGB Neu).
16. Die Nutzung eines bestimmten Zahlungsmittels (z.B: Kreditkarte) darf nicht zu zusätzlichen Kosten beim Verbraucher führen, welche über die Kosten des Unternehmers durch die Nutzung dieses Zahlungsmittels hinausgehen (§ 312 a IV BGB neu).
17. Die Kosten für einen Anruf bei einer Verbraucherhotline dürfen nicht teurer sein als die Kosten des Unternehmers für die Einrichtung der Hotline (§ 312 a V BGB neu).
18. Bei einem Vertrag, der außerhalb von Geschäftsräumen abgeschlossen wird muss der Unternehmer dem Verbraucher alsbald eine Abschrift des Vertrages zur Verfügung stellen (§ 312 f BGB neu)
19. Zusammenführung der Vorschriften über verbundene Verträge und Aufnahme einer Vorschrift über einheitliche Verträge (§§ 358 ff. BGB neu)
20. Anpassung der "Garantie" des Kaufrechts an die Definition in der Richtlinie ( § 443 BGB neu)
21. Änderung von § 323 II Nr. 2 BGB (Voraussetzung für Rücktrittsrecht ohne Fristsetzung)
22. Ergänzungen des Verbrauchsgüterkaufrechts um Regelungen zur Leistungszeit und Gefahrübergang beim Versendungskauf (§ 474 BGB neu).
23. Neufassung und Neustrukturierung der Informationspflichten im EGBGB.
Einführung eines europaweiten Musters für die Widerrufsbelehrung im Fernabsatz und bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen mit Ausnahme von Verträgen über Finanzdienstleistungen (Anlagen zum EGBGB).
II.
Für den elektronischen Handel dürften vor allem die Punkte 6., 7., 9. - 11., 13.- 16., 18. und 24 von Bedeutung sein.
Dabei wird insbesondere dem geänderten Widerrufsrecht sowie der Neuregelung bezüglich der Rücksendungskosten besondere Praxisrelevanz zukommen.
1. Widerrufsrecht
a) Wegfall des Rückgaberechts
Bislang konnte der Verbraucher entweder den Widerruf erklären oder aber die Sache zurücksenden. Bei Letzterem war eine gesonderte/zusätzliche Widerrufserklärung nicht erforderlich.
Nach neuem Recht bedarf es nun eines eindeutigen bzw. ausdrücklichen Widerrufes. Die bloße Rücksendung ohne zusätzlichen Widerruf ist nicht mehr ausreichend.
b) Formlos , aber ausdrücklich
Der Widerruf kann künftig formlos erfolgen, muss aber ausdrücklich bzw. eindeutig sein.
Es wird zukünftig ein Muster-Widerrufsformular geben, das der Verbraucher für den Widerruf nutzen kann, aber nicht muss. Dieses hat der online Händler zur Verfügung zu stellen.
Da es für den Widerruf keinen Formzwang mehr geben wird, wird zukünftig ebenfalls ein Widerruf mittels Telefon möglich sein. Der Internethändler hat hierfür eine Telefonnummer anzugeben.
Da die Beweislast für den wirksamen Widerruf indes beim Verbraucher bleiben wird, dürfte es indes bereits aus Beweisgründen für den Verbraucher vorzugswürdig sein, den Widerruf zumindest mittels email zu erklären.
In diesem Kontext ist zudem beachtenswert, dass die Telefonnummer, die der Internethändler für den telefonischen Widerruf angibt, gemäß § 312 a Abs. 5 BGB n.F. keine kostenpflichtige Mehrwertdienstenummer sein darf.
c) Frist
Die Widerrufsfrist wird europaweit 14 Tage betragen.
Die Widerrufsbelehrung soll durch das Gesetz deutlich verkürzt und vereinfacht werden, um für alle Verbraucher verständlich zu sein. Ab dem Inkrafttreten der Änderungen wird es eine neue Musterwiderrufsbelehrung geben, die in der EU-Richtlinie bereits vorgegeben ist und dem Gesetzgeber keinen Gestaltungsspielraum lässt
Im Gegensatz zur bisherigen Rechtslage wird es bei Mängeln der Widerrufsbelehrung bzw. bei unterlassener Widerrufsbelehrung kein „ewiges Widerrufsrecht“ mehr geben. Vielmehr erlischt selbst bei fehlerhafter/unterbliebener Belehrung die Widerrufsfrist nunmehr spätestens nach 12 Monaten und 14 Tagen nach Fristende.
2. Rückversandkosten
Ein weiterer gravierender Unterschied, der sich durch das Gesetz zur Umsetzung der Verbraucherrechterichtlinie für den elektronischen Handel ergeben wird, liegt bei den Rücksendungskosten bei/nach Widerruf.
Nach bisheriger Gesetzeslage waren bei Widerrufsausübung die Kosten der Rücksendung vom Verkäufer zu tragen. Lediglich bei Produkten, deren Wert EUR 40 nicht übersteigt, konnten die Rücksendungskosten gemäß § 357 Abs. 2 S. 3 BGB dem Käufer auferlegt werden, sofern dies in den AGB so geregelt war.
Nach neuer Gesetzeslage ist nun der Käufer verpflichtet, im Falle des Widerrufs die Kosten der Rücksendung unabhängig vom Wert der Ware zu tragen.
Voraussetzung hierfür ist jedoch, dass der Käufer im Vorfeld darüber informiert wird, was durch eine entsprechende Anpassung der Muster-Widerrufsbelehrung erfolgen dürfte.
Diese Änderung dürfte von beträchtlicher Relevanz sein, da sie das Potential hat, das online-Einkaufsverhalten – gerade im Bekleidungsbereich – erheblich zu beeinflussen:
Bislang konnten online-Kunden bei Kleidungsstücken , sofern diese über der EUR 40 Grenze lagen, relativ arglos online bestellen, da sie für den Fall, dass die bestellten Kleidungsstücke beim Anprobieren/bei Inaugenscheinnahme nicht passen/nicht wie gewünscht ausfallen sollten, diese ohne Mehrkosten und infolge der- insbesondere bei den großen Internethändlern - perfektionierten (Retour-)Logistik aufwandsarm zurücksenden.
Damit war einem bedeutenden, grundsätzlich für den klassischen Einzelhandelskauf sprechenden Argument, nämlich die Möglichkeit zur (kostenlosen) Anprobe/tatsächlichen Inaugenscheinnahme vor Ort, das Gewicht genommen.
Die Bedeutung dieses für den örtlichen Einzelhandelkauf sprechenden Argumentes könnte durch die Änderung der Rücksendekostenverteilung nunmehr wieder neu aufleben.
Es bleibt allerdings - zumindest was die großen Internethändler, allen voran amazon, betrifft - abzuwarten, ob es nicht (aus diesem Grunde) unternehmensseitig vielfach bei der bisherigen gesetzlichen Regelung belassen und weiterhin – dann aber freiwillig – die Rücksendekosten vom Verkäufer/Unternehmen getragen werden.
Ob das auch von den über amazon anbietenden Händlern gleich bzw. einheitlich gehandhabt werden wird, wird sich zeigen.
Matthias Mayer
Rechtsanwalt