Rechtstipp im Internationalesrecht
Häufig gestellte Fragen deutscher Unternehmen zu den rechtlichen Rahmenbedingungen in der Türkei
Frage: Wie unterscheidet sich die türkische Rechtsordnung von unserem Kulturkreis, muss man insbesondere mit einer islamisch geprägten Rechtsordnung rechnen?
Antwort: Auch wenn viele das denken, handelt es sich bei dem türkischen Recht keineswegs um ein exotisches oder islamisches Recht, vielmehr wird dem Europäer vieles vertraut vorkommen. Das Recht der heutigen, modernen Türkei kann ohne Zweifel als europäisches Recht bezeichnet werden. Schon im osmanischen Reich gab es sehr starke Einflüsse des französischen und deutschen Rechts auf das türkische Recht.
Mit der Gründung der Türkischen Republik und den damit einhergehenden Reformen Atatürks beschleunigte sich dieser Prozess enorm. Seither hat das , für das Wirtschaftsleben relevante, türkische Zivilgesetzbuch ( medeni kanunu) wie auch das Obligationengesetzbuch (borçlar kanunu) seine Grundlage im schweizer Recht, ebenso das Zivilprozessrecht. Neben weiteren Gesetzen stammt das türkische Handelsgesetzbuch (ticaret kanunu) aus der Feder eines deutschen Juristen. Die gegenwärtigen Reformbemühungen in diesem Bereich zeigen auch Ähnlichkeiten zum deutschen Recht. Im Zuge der Annäherung der Türkei an die EU setzt sich dieser Prozess fort, in dem auch Bestandteile des europäischen Rechts wie Richtlinien in die türkische Rechtsordnung Eingang finden. Elemente aus dem islamischen Recht finden sich in der türkischen Rechtsordnung allerdings nicht.
Frage: Auf welche Weise kann ein deutsches Unternehmen in der Türkei aktiv werden?
Antwort: Es gibt verschiedene Möglichkeiten für unternehmerisches Engagement in der Türkei. Wer lediglich seine Produkte vertreiben möchte, kann Handelsvertreter oder Vertragshändler einsetzen.
Wer hingegen in der Türkei präsent sein will hat verschiedene Möglichkeiten. Die praktikabelsten sind dabei die Gründung einer Limited Şirketi, einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung ähnlich der deutschen GmbH oder einer Anonim Şirketi, dem türkischen Pendant der Aktiengesellschaft. Zu beachten ist hierbei jedoch, dass das türkische Recht abweichend von dem deutschen Recht eine Ein-Mann-Gesellschaft (noch) nicht kennt. Daher ist es für die Gründung einer Limited zwingend erforderlich, dass diese aus zwei Gesellschaftern besteht.
Frage: Sind für die Geschäftstätigkeit ausländischer Unternehmen in der Türkei Genehmigungen erforderlich oder gibt es Beschränkungen für Ausländer?
Antwort: Bis auf wenige Ausnahmen gibt es in der Türkei grundsätzlich keine Beschränkungen oder Genehmigungserfordernisse für ausländische Unternehmen. Zu den genannten Ausnahmen zählt insbesondere der Immobilienerwerb, der einer Genehmigung bedarf. Hingegen gibt es für die Gründung einer Limited weder eine Beschränkung, noch benötigt man eine Genehmigung. Will man allerdings aus türkischer Sicht ausländische Führungskräfte einsetzen, zum Beispiel einen deutschen Geschäftsführer, so wird die Erteilung einer Arbeitserlaubnis von weiteren Faktoren wie der Anzahl beschäftigter türkischer Arbeitnehmer, dem eingezahlten Kapital etc. abhängig gemacht, so eine neue Regelung in der Türkei.
Frage: Wie verlässlich sind die türkischen Gerichte, wenn man in der Türkei in einen Rechtsstreit verwickelt wird oder selbst in der Türkei klagen muss.
Antwort: Um die Zuverlässigkeit und Integrität der türkischen Richter muss man keine Bedenken haben. Die Erfahrung hat gezeigt, dass sich türkische Richter nicht davon beeinflussen lassen, dass eine der Parteien Ausländer ist und einheimische Parteien bevorzugt behandeln. Auch die Entscheidungen in der Sache sind am Gesetz orientiert.
Ein Problem ist allerdings die Verfahrensdauer. Gerichtsverfahren in der Türkei sind, besonders bei komplexeren Sachverhalten, im Verhältnis zu deutschen Gerichtsverfahren sehr langwierig und Verlangen einiges an Geduld und Ausdauer, wenngleich die Türkei nicht das Schlusslicht Europas in Sachen Verfahrensdauer ist.
Frage: Sollte bei Verträgen mit türkischen Partnern wegen des Heimvorteils prinzipiell deutsches Recht und ein deutscher Gerichtsstand vereinbart werden?
Antwort: Welches Recht und welcher Gerichtsstand vereinbart werden sollte, hängt davon ab, auf wessen Seite das Prozessrisiko höher ist oder wie man am schnellsten erfolgreich an sein Geld kommt. Diese Abwägung führt oft zu dem Ergebnis, dass eine Vereinbarung türkischen Rechts und eines Gerichtsstands in der Türkei vorteilhafter für die deutsche Partei sein kann. Das gilt besonders dann, wenn die türkische Partei keinen Sitz in Deutschland hat.
Frage: Ist das kein Widerspruch zu den monierten langen Verfahrensdauern in der Türkei.
Antwort: Nicht, wenn man den ganzen Ablauf eines Gerichtsverfahrens von Klageerhebung bis zur Vollstreckung betrachtet.
Würde man in einem solchen Fall in Deutschland klagen, müsste die Klage in der Türkei zugestellt werden. Allein diese amtliche Prozedur kann mehrere Monate in Anspruch nehmen. Selbst wenn man dann die Klage gewinnt, bedeutet das noch nicht die Realisierung der Forderung. Denn im Anschluss ist in der Türkei ein separates Verfahren zur Vollstreckbarerklärung des Urteils notwendig. Erst dann kann mit der Vollstreckung überhaupt begonnen werden.
Dieses zeitraubende Verfahren ist bei einer Klage in der Türkei allerdings nicht notwendig. Den Dort wird die Klage direkt zugestellt, und auch das Urteil des türkischen Gerichts ist ohne die langwierigen Zwischenschritte vollstreckbar.