Rechtstipp im Handels- und Gesellschaftsrecht
Rückforderung "pauschaler" Provisionsvorschüsse
Das OLG Karlsruhe hat in einem Urteil vom 18.02.2010 - 1 U 113/09 – hierzu Wegweisendes ausgeführt:
"...Der Rückforderungsanspruch der Klägerin ist indessen gemäß § 89a Abs. 1 S. 2 HGB i. V. m. § 134 BGB hinsichtlich der Provisionsvorschusszahlungen, nicht hingegen auch hinsichtlich der ausgereichten Darlehen ausgeschlossen.
a) Nach § 89a Abs. 1 HGB ist ein Handelsvertretervertrag von jedem Teil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist kündbar. Dieses Recht darf gemäß § 89a Abs. 1 S. 2 HGB weder ausgeschlossen noch beschränkt werden, ist mithin unabdingbar bzw. zwingend (vgl. Hopt, in: Baumbach/Hopt, HGB, 33. Aufl. 2008, § 89a, Rn. 26). Eine solche Beschränkung der Kündigungsfreiheit kann nicht nur unmittelbar erfolgen, sondern auch bei mittelbaren Erschwernissen in Formvon finanziellen oder sonstigen Nachteilen vorliegen (vgl. Emde, in: Staub, Großkommentar zum HGB, 5. Aufl. 2008, § 89a, Rn. 49; Hopt, a. a. O.; Löwisch, in: Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, HGB, 2. Aufl. 2008, § 89a, Rn. 37), z. B., wenn an die Kündigung des Handelsvertreters wesentliche, eine Vertragsbeendigung erschwerende Nachteile geknüpft werden, wie etwa die Verpflichtung zur Zahlung einer Vertragsstrafe (vgl. BAG AP BGB § 622 Nr. 12) oder der Verfall von Ansprüchen (OLG Düsseldorf, HVR Nr. 946; Löwisch, a. a. O.; MünchKommHGB/v. Hoyningen-Huene, 2. Aufl. 2005, § 89a, Rn. 84 m. w. N.). Gleiches gilt bei Vertragsklauseln, die eine sofortige Rückzahlung langfristiger Vorschusszahlungen bei einer Kündigung durch den Handelsvertreter vorsehen (vgl. LG Karlsruhe, BB 1990, 1504; Emde, a. a. O.; Löwisch, a. a. O.) oder wenn dem Handelvertreter ein zinsfreies Darlehen gewährt, er aber für den Fall der Kündigung zur Zinszahlung verpflichtet wird (vgl. LG Mannheim, ZIP 1990 A 144; OLG Düsseldorf, OLGR 2000, 246; Hopt, a. a. O.; Löwisch, a. a. O.).
Abweichende Vereinbarungen sind nach §134 BGB nichtig. Die Gültigkeit des Handelsvertretervertrags wird jedoch im Übrigen nicht berührt, weil §139 BGB nicht eingreift. An die Stelle der nichtigen Vertragsbestimmung treten dann die in § 89a Abs. 1 HGB enthaltenen Regeln (vgl. BGHZ 40, 235/239; v. Hoyningen-Huene, a. a. O., Rn. 86).
b) Nach diesen Grundsätzen ist vorliegend von Rechts wegen zwar eine Rückforderung der Provisionsvorschusszahlungen ausgeschlossen, nicht hingegen auch eine solche der ausgereichten Darlehen.
aa) Provisionsvorschusszahlungen
Dass nach dem Wortlaut von § 8 Nr. 4 des Vertrags ausdrücklich das Recht zur außerordentlichen Kündigung „unberührt“ bleiben sollte, hindert nicht die Annahme, dass einzelne Regelungen wie die zur Rückzahlung von Provisionsvorschüssen (vgl. § 6 Ziff. 6 des Vertrags) gleichwohl als zumindest mittelbare Beschränkungen des Kündigungsrechts nach § 89a Abs. 1 Satz 2 HGB anzusehen und damit gemäß § 134 BGB nichtig sind.
Wie vom Landgericht insoweit überzeugend festgestellt und näher begründet, führte die vertragliche Ausgestaltung hier faktisch dazu, dass dem beklagten Handelsvertreter die Möglichkeit zu einer eigenen außerordentlichen Kündigung genommen bzw. zumindest erheblich erschwert wurde (vgl. LGU 7 ff., 9 f.). Hiergegen führt die Berufung Erhebliches nicht an, sondern beschränkt ihre Angriffeauf die ausgereichten Darlehen. Zur Vermeidung unnötiger Wiederholungen kann daher insoweit auf die zutreffenden Erwägungen des Landgerichts Bezug genommen werden, denen sich das erkennende Gericht anschließt. Lediglich ergänzend ist diesbezüglich zu erwähnen, dass die Vorschusszahlungen hier vereinbarungsgemäß keineswegs etwa nur kurzfristig oder auch nur „auslaufend“, im Sinne einer „Anschubfinanzierung“, sondern sehr langfristig und betraglich sogar ansteigend konzipiert waren (vgl. zu diesem Gesichtspunkt LG Karlsruhe, BB 1990, 1504). So sieht der in § 7 Ziff. 1 Abs. 4 S. 2 ausdrücklich als Anlage 2 zum Vertrag in Bezug genommene „Umsatzziel und Leistungsplan“ etwa für das erste Vertragsjahr 7.000 EUR, für das zweite 21.000 EUR sowie - sukzessive steigend - für das 8. Jahr schließlich Provisionsvorschusszahlungen von 140.000 EUR vor (vgl. AH I Bekl.).
Die Regelung über die Rückzahlung von erkennbar der Bestreitung des notwendigen laufenden Unterhalts sowie der Arbeits- und Werbungskosten dienenden Provisionsvorschüssen war mithin - wie vom Landgericht unangegriffen festgestellt - auf eine langfristige Bindung des Beklagten an die Klägerin und damit eine Beschränkung von dessen Kündigungsfreiheit gerichtet. Sie ist daher gemäß § 89a Abs. 1 Satz 2 HGB i. V. m. § 134 BGB nichtig, so dass eine Rückzahlungsverpflichtung insoweit entfällt (vgl. LGU 9 f.)
bb) Anderes gilt allerdings für die von der Klägerin an den Beklagten gemäß § 7 Abs. 1 des Vertrages ausgereichten beiden zinslosen Darlehen über 20.000 EUR sowie 2.500 EUR, zusammen also 22.500 EUR. Dabei erfolgte das letztgenannte Darlehen nicht zweckgebunden, das erstgenannte hingegen zweckgebunden für die Anschaffung eines „repräsentativen Kraftfahrzeugs“ (vgl. auch § 7 Ziff. 3 des Vertrags).
Insoweit vermag sich das erkennende Gericht der rechtlichen Würdigung des Landgerichts nicht vollumfänglich anzuschließen. Zwar sah § 7 Ziff. 4 des Vertrags hinsichtlich der Rückführung der Darlehen - wie gesehen - vor:
„Bei vorzeitiger Beendigung des Vertragsverhältnisses wird der jeweils offene Restbetrag zur sofortigen Zahlung fällig und ist von diesem Zeitpunkt an mit 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank zu verzinsen.“
Dabei unterliegt es keinem Zweifel, dass diese Regelung dazu geeignet war, den Beklagten im Falle einer Vertragsbeendigung, egal durch welche Seite, finanziellerheblich zu belasten. Dies erfolgte jedoch nicht durch Begründung einer Rückzahlungspflicht als solcher. Denn eine Rückzahlungsverpflichtung des Darlehensnehmers ist jeder Darlehensgewährung ohne weiteres immanent, nachdem sich diese als Kapitalüberlassung auf Zeit darstellt und der Darlehensnehmer somit ohne weiteres stets um die Verpflichtung zur Darlehensrückzahlung weiß (s. o.). Schließlich war eine Darlehens-Rückzahlung hier selbst im Falle einer plangemäßen, dauerhaften Vertragsdurchführung vom Beklagten geschuldet, mithin nicht an die Voraussetzung einer Vertragsbeendigung geknüpft. Vielmehr beschränkte die genannte Vertragsregelung die Kündigungsfreiheit allein dadurch, dass sie bei jeder Vertragsbeendigung eine vorgezogene, sofortige Gesamtfälligkeit vorsah und erstmalig eine Pflicht zur Verzinsung des Darlehens-Rückzahlungsanspruchs der Klägerin begründete.
Entgegen der Ansicht des Landgerichts sind für das erkennende Gericht auch hinreichende Anhaltspunkte dafür nicht zu erkennen, dass die ausgereichten Darlehen tatsächlich mehr oder weniger wie Arbeitseinkommen behandelt worden wären:
Das Darlehen über 2.500 EUR wurde einmalig im ersten Vertragsjahr ohne jede Zweckbindung gewährt.
Nichts anderes gilt aber auch für das Darlehen über 20.000 EUR, das zweckgebunden der Anschaffung eines repräsentativen Fahrzeugs dienen sollte. Auch insoweit lässt sich nicht feststellen, dass dieses quasi wie Arbeitseinkommen behandelt worden wäre. Die in § 7 Ziff. 1 Abs. 2 des Vertrags vereinbarte und nach Aktenlage entsprechend praktizierte Auszahlung in zwölf gleich bleibenden monatlichen Raten jeweils zum Monatsanfang genügt hierfür alleine nicht. Zum einen wurde das Darlehen nicht nur ausdrücklich als solches bezeichnet. Es wurde zum andern auch befristet gewährt und ausdrücklich nur zu dem Zweck, dem Beklagten die Anschaffung eines repräsentativen Kraftfahrzeugs zu ermöglichen (vgl. § 7 Ziffer 3 des Vertrags), mithin nicht zur Bestreitung des Lebensunterhalts oder allgemeiner Betriebsunkosten.
Auch dadurch, dass dem Beklagte durch die sukzessive Auszahlung in zwölf Raten das Darlehenskapital nicht sofort in voller Höhe zur Verfügung stand, sondern er - sollte er nicht ohnehin schon über ein ausreichend repräsentatives Fahrzeug verfügen (was hier unstreitig nicht der Fall war) - gezwungen war, entweder die Anschaffung aus eigenen Mitteln „vorzustrecken“, zu finanzieren oder aber einKraftfahrzeug zu leasen, ändert sich nichts. Jedenfalls diesbezüglich wie auch hinsichtlich der konkreten Wahl des Fahrzeugs war der Beklagte frei, so dass es ihm - wie er selbst einräumt - insbesondere auch möglich gewesen wäre, statt des tatsächlich gewählten Leasings auch einen finanzierten Kauf durchzuführen, der ihm zumindest einen gewissen Vermögenserwerb ermöglicht hätte. Auch damit, dass die Vertragsparteien gemäß §.7 Ziff. 2 i. V. m. Anl. 2 des Vertrags beidseits „in Erwartung der Erreichung des Umsatzziel- und Leistungsplans“ handelten und die Tilgung des Darlehens daher für die ersten drei Jahre aussetzten, lässt sich eine „Einkommensqualität“ der Gewährung des „Auto-Darlehens“ nicht begründen. Vielmehr wurde insoweit - wie dies mitunter auch im Bereich privater Baufinanzierung praktiziert wird - einzig der besonderen finanziellen Situation des Beklagten zu Beginn der Vertragslaufzeit Rechnung getragen. Ein völliges Entfallen jeder Darlehens-Rückzahlungsverpflichtung lässt sich - entgegen der Rechtsansicht des Beklagten - auch nicht über § 313 BGB (Gesichtspunkt des Wegfalls der Geschäftsgrundlage) im Hinblick auf die unstreitig beiderseits ursprünglich anvisierte längere Vertragsdauer begründen. Denn ungeachtet der Tatsache, dass der Beklagte hier eine selbstständige Tätigkeit als Handelsvertreter der Klägerin aufnahm und schon deshalb selbstverständlich auch (einseitig) das unternehmerische Risiko dafür übernahm, dass sich diese für ihn rentierte, haben hier die Parteien in § 7 des Vertrages dem Beklagten auch ausdrücklich das Risiko einer Rückzahlungspflicht bei vorzeitiger Vertragsbeendigung auferlegt. Eine Regelungslücke besteht insoweit nicht. Mangels sonstiger, insoweit erheblicher Gesichtspunkte ist daher von „normalen“ (Arbeitgeber/Unternehmer-)Darlehen auszugehen, die als solche „selbstverständlich zurückzuzahlen“ sind (so auch LG Karlsruhe, a. a. O.).
Nach alldem ist mithin gemäß § 89a Abs. 1 S. 2 HGB i. V. m. § 134 BGB von einer Unwirksamkeit der handelsvertraglichen Regelungen (nur) insofern auszugehen, als diese für den Fall einer Beendigung des Handelvertreterverhältnisses eine sofortige und verzinsliche Rückzahlungsverpflichtung der (restlichen) Darlehensvaluta durch den Beklagten vorsehen. Diese Rechtsfolge kann die Klägerin aber auch nicht dadurch umgehen, dass sie von einem isolierten, insoweit kündbaren und tatsächlich auch - zumindest konkludent - mit der Kündigung des Handelsvertreterverhältnisses im November 2007 zugleich mit gekündigten Darlehensver-trag ausgeht. Ließe man dies zu, würde nicht nur die wirtschaftliche und rechtliche Verbundenheit der beiden Rechtsgeschäfte negiert, sondern die - wie gesehen - nach dem Willen des Gesetzgebers gerade auch mittelbare Beeinträchtigungen erfassende, gesetzlich zwingende Regelung des § 89a Abs. 1 Satz 2 HGB in unzulässiger Weise umgangen...."