Rechtstipp im Familienrecht
Wissenswertes zum Elternunterhalt
1.
Warum muss ein Kind für seine alten Eltern zahlen?
Verwandte ersten Grades schulden
einander gem. §§ 1601 ff. BGB Unterhalt. Dieser Unterhaltsanspruch ist ein
wechselseitiger. Es schulden also nicht nur Eltern ihren Kindern Unterhalt,
sondern umgekehrt auch die Kinder ihren Eltern.
Für Eltern, die das 65. bzw. 67.
Lebensjahr bereits vollendet haben und die noch zuhause leben, besteht in
erster Linie ein Anspruch auf Grundsicherung.
Eltern können daher insbesondere einen Anspruch auf Unterhalt gegen ihre Kinder
haben, wenn sie in ein Heim müssen. Dann sind beim Bedarf die Heim- und
Pflegekosten in tatsächlich entstandener Höhe zu berücksichtigen. Sie sind
nämlich oft so hoch (2.000 € bis 5.000 €), dass sie von der Rente/Pension nicht
bezahlt werden können.
2. Wie viel muss ein Kind zahlen?
Erster Anknüpfungspunkt hierfür
ist der ungedeckte Bedarf des Elternteiles: Wieviel braucht er, aber hat er
nicht? Zweiter Schritt ist die Leistungsfähigkeit des Kindes: Wieviel kann das
Kind entbehren, ohne sich in der eigenen angemessenen Lebensführung
einschränken zu müssen?
3.
Womit müssen die Eltern ihren Bedarf selbst decken?
3.1 Einkommen der Eltern
Bedarfsmindernd wirkt sich für
den in Heimpflege befindlichen Elternteil zunächst das Einkommen aus (z.B.
Rente, Pflegegeld, Mieteinnahmen, Zinseinnahmen).
3.2 Vermögen der Eltern
Außerdem muss der Elternteil
seine Ersparnisse (bis auf einen Notgroschen von 2.600 €) bedarfsdeckend
einsetzen.
Ist das Vermögen rechtlich oder
praktisch nicht verwertbar (ungeteilte Erbengemeinschaft, unverkäufliche
Immobilie), muss der berechtigte Elternteil dieses nutzen, um ein Bankdarlehen
zu bekommen, bevor er seine Kinder in Anspruch nehmen kann.
3.3 Rückforderung von
Schenkungen
Schliesslich muss der Elternteil
erst alle Schenkungen der letzten zehn Jahre zurückfordern. Zum Vermögen gehört
auch der Anspruch, eine Schenkung wegen Verarmung zurückzufordern.
3.3.1 Ein Anderer war beschenkt
Dann weisen Sie die Eltern / den
Betreuer / das Sozialamt darauf hin, dass vorrangig dieser Anspruch zu prüfen
und zu realisieren ist, bevor Sie in der Pflicht sind.
3.3.2 Sie sind der Beschenkte
Dann müssen Sie das Geschenk
zurückgeben, wenn
a) noch keine zehn Jahre zwischen
Schenkung und Bedürftigkeit vorbei sind und
b) der Wert der Schenkung bei
Ihnen noch vorhanden ist.
Sie müssen nicht alles auf einmal
zahlen. Sie können die Rückforderung abwenden, indem Sie monatlich den
fehlenden Bedarf zuschießen, bis das Geschenk erschöpft ist. Das ist dann gut,
wenn
- Sie gar nicht die Liquidität zur Rückgabe haben
und/oder - voraussichtliche Lebenserwartung mal Bedarfslücke
viel kleiner sind als der Wert der Schenkung. Sonst fällt der
unverbrauchte Rest in die Erbmasse.
4.
Was habe ich mit dem Sozialamt zu tun?
Das Sozialamt muss in Vorleistung
treten, bis etwaige Unterhaltsansprüche geklärt sind.
Soweit ein Träger der
öffentlichen Hand (= Sozialamt, Landschaftverband etc.) durch Zahlung von
Sozialleistungen in Vorleistung getreten ist, geht der Unterhaltsanspruch auf
ihn über. Bei „Grundsicherungsleistungen im Alter“ nach SGB XII gilt das nicht,
nur bei „Hilfe in Heimen“.
Ist der Anspruch übergangen, so
versucht das Sozialamt von den möglichen Unterhaltspflichtigen (Ehegatte,
Kinder) seine Kosten beizutreiben.
5.
Hat das Sozialamt mehr Rechte als die Eltern selbst?
Nein, es handelt sich um einen
bürgerlich-rechtlichen Anspruch, der übergeht. Das Sozialamt kann also nicht
durch Bescheid oder Verwaltungsakt Ihren Unterhaltsbeitrag einseitig festlegen.
Wenn man außergerichtlich keine einvernehmliche Berechnung hinbekommt, muss das
Sozialamt wie jeder andere Kläger auch eine Entscheidung beim Familiengericht
beantragen. Nur das Recht auf Ihre Mitwirkung ist ein öffentlich-rechtlicher
Anspruch.
6.
Wann muss ich überhaupt etwas zahlen?
1. Wenn ich so viel Vermögen
habe, dass trotz Berücksichtigung meiner eigenen Altersvorsorge und meiner
Notgroschen genügend da ist, um daraus für die Eltern aufzukommen. Ist das der
Fall, kann man sich die Berechnugn des Einkommens ersparen.
2. Sonst: Wenn mein Einkommen -
und ggf. das meines Ehegatten - so hoch ist, dass mir nach Abzug aller
Belastungen mehr als der Selbstbehalt bleibt. Davon muss ich die Hälfte für den
Elternunterhalt abgeben.
7.
Welche Belastungen darf ich vom Einkommen abziehen?
Die Leistungsfähigkeit des
unterhaltspflichtigen Kindes ist wie folgt zu ermitteln: Von den
Nettoeinkünften werden zunächst die eigenen Belastungen des Kindes abgezogen:
Zins und Tilgung für ein selbstbewohntes Eigenheim können abgezogen werden,
soweit sie den Betrag einer ersparten Miete übersteigen, die bereits im
Selbstbehalt enthalten ist. Auch Verpflichtungen aus z.B. Ratenkreditverträgen
sind abziehbar. Sodann darf das pflichtige Kind monatliche Beträge für die
eigene angemessene Altersvorsorge, z.B. Riester-Rente, abziehen - bis zu 5% des
Bruttoeinkommens auch über die gesetzliche Vorsorge hinaus.
Das Kind darf seinen bisher
gewählten Lebensstil dem Grunde nach behalten, es wird nicht an
Sozialhilfe-Kriterien gemessen, nur weil der Elternteil Sozialhilfe bezieht.
Allerdings darf es nicht im Luxus schwelgen und Vater/Mutter der Staatskasse
anlasten.
8.
Gehen meine Kinder den alten Eltern vor?
Ja. Je nach Familienplanung und
Ausbildungsstand der eigenen Kinder entsteht das sogenannte
"Sandwich-Problem": Das "Kind" wird gleichzeitig von den
noch in Ausbildung befindlichen eigenen Kindern und dem alt gewordenen
Elternteil in Anspruch genommen. Wenn Sie also noch für Ihre Kinder Unterhalt
zahlen, wird dies abgezogen. Bei guten finanziellen Verhältnissen müssen Ihre
Kinder übrigens nicht mit den Sätzen der "Düsseldorfer Tabelle"
zurecht kommen. Eine konkrete Bedarfsberechnung kann sinnvoll sein. Da die
jüngste Generation Vorrang hat, geht in "Normalverdiener"-Fällen der
betagte Elternteil leer aus.
9.
Was bleibt mir monatlich übrig?
Der "Elternunterhalt" ist
der schwächste Anspruch im ganzen Unterhaltsspektrum. Grund hierfür ist, dass
die "Sandwich-Generation" ohnehin durch ihre
Sozialversicherungsabgaben bereits zur Versorgung der Elterngeneration
beiträgt. Bleiben müssen dem pflichtigen Kind nach Abzug aller relevanten
anderweitigen Verpflichtungen zunächst ein Selbstbehalt für sich und seinen
Ehegatten; von dem darüberliegenden Einkommen geht dann die Hälfte (!) an den
Elternteil. Der Selbstbehalt gegenüber Eltern liegt nach der Düsseldorfer
Tabelle 2011 bei (mindestens) 1.500 € monatlich (einschließlich 450 EUR
Warmmiete) zuzüglich der Hälfte des darüber hinausgehenden Einkommens, bei
Vorteilen des Zusammenlebens in der Regel 45 % des darüber hinausgehenden
Einkommens. Der angemessene Unterhalt des mit dem Unterhaltspflichtigen
zusammenlebenden Ehegatten bemisst sich nach den ehelichen Lebensverhältnissen
(Halbteilungsgrundsatz), beträgt jedoch mindestens 1.200 EUR (einschließlich
350 EUR Warmmiete). Ehegatten haben zusammen also 2.700 € plus 45% des übersteigenden
Einkommens für sich.
10.
Wie viel Vermögen ist geschützt?
Schwieriger für den Einzelfall zu
deuten ist die Rechtsprechung bei der Frage, welches Vermögen des Kindes
geschützt ist. Grundsätzlich sind die erwachsenen Kinder auch gehalten, in
wirtschaftlich vertretbarer Weise ihr Vermögen zur Deckung des
Unterhaltsbedarfs ihrer Eltern einzusetzen. Soweit das Vermögen der eigenen
Alterssicherung dient - das aber muss konkret vorgerechnet werden - bleibt es
unangetastet. Zur Höhe dieses Vermögens gibt es eine Faustformel, das müssen
wir in Ihrem Einzelfall gemeinsam berechnen. Daneben kann der
Unterhaltspflichtige aber auch noch über eine selbst genutzte Immobilie
verfügen. Dieses Haus oder die Eigentumswohnung selbst ist ebenfalls
verwertungsfrei. Allerdings zählt der Vorteil des mietfreien Wohnens als
Einkommen - sowohl jetzt bei der Unterhaltsberechnung als auch bei der
Überlegung, ob das unterhaltspflichtige Kind im eigenen Alter angemessen leben
wird.
In angemessenem Maß dürfen
"Notgroschen" für Reparaturen am Haus, Urlaub, für Ersatzbeschaffung
eines Pkw etc. gebildet werden. Feste Schongrenzen gibt es dabei nicht.
11.
Kann ich rechtzeitig gestalten?
Die Lebensführung, die ein Kind
gewählt hat, bevor es mit der Inanspruchnahme durch die betagten Eltern rechnen
musste, ist ein wesentlicher Maßstab. Insofern gebietet sich rechtzeitige
vorausschauende Vermögensplanung, bevor der Anspruch vom Elternteil oder vom
Sozialamt geltend gemacht wird. Lesen Sie dazu meine Tipps weiter unten.
12.
Müssen sich alle Geschwister beteiligen?
Mehrere Kinder haften ihren
Eltern als Teilschuldner, § 1606 Abs. 3 Satz 1 BGB. Zur Ermittlung der
Haftungsquote haben mehrere Geschwister untereinander einen auf § 242 BGB
beruhenden Auskunftsanspruch.
Nur die Kinder, die leistungsfähig
sind, müssen sich überhaupt beteiligen. Mehrere Kinder haften übrigens nicht
nach ihrem Kopfteil, sondern im Verhältnis zur Leistungsfähigkeit ihrer
Geschwister. Jedes Kind muss dem Elternteil, dessen gerichtlich bestelltem
Betreuer oder dem Sozialamt die entsprechenden Auskünfte über Einkommen und
Vermögen erteilen. Bevor Sie Ihre eigene Unterhaltslast akzeptieren, muss der
Berechtigte (z.B. das Sozialamt) die Einkommens- und Vermögensverhältnisse der
mithaftenden Geschwister klären und Ihnen offen legen. Vorher ist die
Unterhaltsforderung nicht berechtigt.
13.
Warum ist die Rechtsprechung noch so unscharf?
Beim Kindes- und
Ehegattenunterhalt besteht (mal abgesehen von den Auswirkugen der Reform 2008)
eine seit Jahrzehnten gefestigte Rechtsprechung, so dass zu vielen Einzelfällen
bereits passende Gerichtsentscheidungen zu finden sind. Der Elternunterhalt ist
im Gegensatz dazu ein relativ neues Thema.
Die uneinheitliche Rechtsprechung
und damit Rechtsunsicherheit beruht mit darauf, daß bis 1998 die allgemeinen
Zivilabteilungen der Amtsgerichte und ihnen folgend in der zweiten Instanz die
Landgerichte abschließend zuständig waren. Erst danach ging die Zuständigkeit
zu den Familiengerichten und in zweiter Instanz zu den Oberlandesgerichten. Infolge
dieser Regelung finden sich eine Fülle von unterschiedlichen Entscheidungen,
die sich teilweise widersprechen. Entsprechend unterschiedlich sind auch die
Auffassungen in der Literatur. Bis ein Fall vor dem BGH abschliessend
entschieden ist, können viele Jahre vergehen. Der Elternunterhalt ist daher
noch ein in Bewegung befindliches Rechtsgebiet.
14.
Gibt es Schwiegereltern-Unterhalt?
Rechtlich nein, faktisch ja.
Zwar gibt es keine rechtliche
Unterhaltsbeziehung zu den Schwiegereltern, aber die gute finanzielle Situation
des Schwiegerkindes kann zu einer Unterhaltspflicht des Kindes führen. Liegt
die Summe der Einkünfte eines Ehepaares über dem Selbstbehalt von 2.700 €, kann
das Einkommen des Schwiegerkindes die unterhaltsrechtliche Leistungsfähigkeit des
Kindes positiv beeinflussen. Unter Juristen ist umstritten, ob die mittelbare
Schwiegerkind-Haftung nicht verfassungswidrig ist.
15.
Verwirken Rabeneltern ihren Elternunterhalts-Anspruch?
In Fällen von "unbilliger
Härte" nach § 1611 BGB müssen die Kinder nicht zahlen, wenn der Elternteil
den Anspruch durch sein Verhalten verwirkt hat. In dem zuletzt - am 15.9.2010 -
vom BGH entschiedenen Fall wurde dies verneint, weil Voraussetzung ein gewisses
Verschulden des Unterhaltsberechtigten ist. Wer aber psychisch krank ist, trägt
an seinem Schicksal keine Schuld.
In einem anderen Fall, in dem die
Mutter sich wenig um ihr Kind gekümmert hatte, war das Kind später von der
Unterhaltslast befreit worden. Jene Mutter war aber nicht psychisch krank,
sondern hatte sich frei entschieden, ihr Kind nicht selbst großzuziehen,
sondern wanderte in die USA aus und gründete dort eine neue Familie, während
sie ihr erstes Kind von ihren Eltern großziehen ließ. Wenn Sie es als grob
unfair erachten, dass Sie für einen Elternteil zahlen sollen, der Sie
vernachlässigt hat, müssen wir Ihren konkreten Sachverhalt auf „unbillige
Härte“ prüfen.
16.
Kann das Sozialamt die Ansprüche verwirken?
Unterhaltsansprüche sollen einen
aktuellen, laufenden Bedarf decken. Wenn der Berechtigte sich nicht zeitnah
darum kümmert, kann er den Anspruch verwirken, einfach durch Zeitablauf. Eine
feste Frist gibt es dafür nicht, denn es handelt sich ja nicht um Verjährung. Wenn
Ihr zuständiges Sozialamt sich schon mehr als ein Jahr Zeit gelassen hat, sollten
wir die Verwirkung prüfen.
17.
Abänderung beim Elternunterhalt
Die Änderung der Selbstbehalte
2011 führt in vielen Fällen zu einer deutlichen Reduzierung der Unterhaltslast,
manches Mal zum Wegfall.
Aber: Das Sozialamt weist Sie
nicht von sich aus darauf hin!
Sie müssen selbst tätig werden.
Wenn der Unterhalt tituliert ist
(gerichtliche Entscheidung oder bei Gericht als Einigung zu Protokoll
genommen), müssen Sie Abänderungsklage erheben.
Tipps zum Elternunterhalt
18.
Zusammenfassende Tipps:
Tipp 1: Kreditraten sind abziehbar
Wenn Sie vor dem Eintritt der
Unterhaltspflicht einen Lebensstil hatten, in dem Sie teure Konsumgüter (Pkw,
Haushaltsgegenstände, Reisen) über Kredite finanziert haben, sind die
Kreditraten bei der Unterhaltsberechnung abziehbar.
Tipp 2: Eigene Altersvorsorge ist wichtig
Machen Sie sich ausgiebig
Gedanken über die eigene Altersvorsorge (Vorsorgerückstellungen in Höhe von 5%
des sozialversicherungspflichtigen und 25% des nicht
sozialversicherungspflichtigen Einkommens sind akzeptabel).
Tipp 3: Altersvorsorge des Ehegatten nicht vergessen
Sorgen Sie auch für die
Altersvorsorge Ihres Ehegatten, z.B. indem Sie ihm Vermögen dafür übertragen.
Bitte denken Sie aber auch an den Fall, dass Ihre Ehe scheitert – den Fall kann
man ehevertraglich absichern durch Anrechnung der Übertragung auf einen möglichen
Zugewinnausgleich.
Tipp 4: Die eigenen Kinder gut versorgen
Denken Sie rechtzeitig an die
Einkommens- und Vermögenssituation Ihrer eigenen Kinder, vor allem, wenn diese
noch in der Ausbildung sind.
Tipp 5: Geld in Ihre Immobilie stecken
Beachten Sie, dass das best
geschützte Vermögen in einer selbst genutzten Immobilie angelegt ist.
Vielleicht stehen da Investitionen an (Renovierung, Kachelofen, Solaranlage …)?
Tipp 6: Die Eltern tatkräftig unterstützen
Überlegen Sie, ob eigene Beiträge
zur Versorgung Ihrer Eltern (Haushaltsführung) Sie vielleicht finanziell
entlasten können. In solchen Fällen kann Ihre zusätzliche Inanspruchnahme in
bar unbillig sein.
Tipp 7: Hatten Sie eine gute Kindheit?
In Einzelfällen, in denen Sie
Ihrem Elternteil vorhalten können, Sie finanziell und emotional vernachlässigt
zu haben, sammeln Sie Beweise zu Ihrer Geschichte, um sich ggf. auf Verwirkung
berufen zu können.
Noch
Fragen? http://www.mainz-kwasniok.de/alte-eltern-elternunterhalt/