Rechtstipp im Familienrecht
Rechtsanwalt – Tip – Unterhaltsrecht: Ehebedingter Nachteil bei freiwilliger Aufgabe der Erwerbstätigkeit während der Ehezeit ?
Der Bundesgerichtshof (BGH) – XI ZR 108/09- hat in einer
aktuellen Entscheidung hinsichtlich einer in der Praxis recht häufigen
Fallgestaltung klargestellt, dass bei Aufgabe und Beendigung eines
Erwerbstätigkeit während der Ehe sich dieses nach der Ehe auch dann als
ehebedingter Nachteil darstellt, wenn der andere Ehepartner damit nicht
einverstanden war.
I. Nachehelicher Unterhalt allgemein
Wenn
nach der Scheidung um den nachehelichen Unterhalt gestritten wird,
kommt es zumeist darauf an, ob der den Unterhalt Begehrende überhaupt
durch die Ehe einen sogenannten ehebedingten Nachteil erlitten hat:
Der
Anspruch eines geschiedenen Ehegatten auf nachehelichen Unterhalt ist
bekanntlich seit 2007 zunächst durch eine veränderte Rechtsprechung des
BGH und dann auch durch die kurze Zeit später erfolgte Gesetzesänderung
2008 beschränkt worden: Abgesehen von den Fällen,
in denen auch nach der Ehe die zwingende Versorgung von ehelichen
Kindern einer Erwerbstätigkeit entgegensteht, besteht seither ein
Anspruch auf nachehelichen Unterhalt nur noch dann, wenn dem
geschiedenen Ehegatten ein sogenannter ehebedingter Nachteilentstanden
ist, andernfalls der Ehegatte auf Grund der ihm gesetzlich
zugeschriebenen Eigenverantwortung seine wirtschaftliche Existenz selber
sicherstellen muss.
II. Das Problem
Ein ehebedingter Nachteil
ist nun dann gegeben, wenn durch die Ehe, sei es aus Gründen der
Kinderbetreuung oder der Haushaltsführung, Erwerbsnachteile entstanden
sind, die auch nach der Scheidung noch vorhanden sind.
Oftmals gibt der
die Kinder versorgende Ehepartner seine Berufstätigkeit ja gänzlich auf
oder aber schränkt die Erwerbstätigkeit während der ersten Jahre der
Kinderbetreuung mehr oder weniger stark ein.Später dann, wenn die
Kinder eigentlich keine ganztägige Betreuung mehr benötigen, wird
dieser Status und Zustand aber eben häufig gar nicht beendet, sondern
einfach beibehalten und fortgeführt.Anlässlich der Scheidung der
Ehepartner wird dann zumeist streitig, ob die nach der Ehe fehlende
Erwerbstätigkeit oder doch zumindest stark eingeschränkter
Erwerbstätigkeit tatsächlich noch „von der Ehe verursacht“ ist und
mithin einen ehebedingten Nachteil darstellt.
So auch der konkrete Fall:
Die
Eheleute lebten zunächst 4 Jahre in nichtehelicher Lebensgemeinschaft
zusammen, als sie dann schließlich geheiratet hatten. Kurze Zeit später
bekamen die Parteien ein Kind. Ca. 5 Jahre nach der Geburt gab die
Ehefrau ihren Job gegen Abfindungszahlung auf; die Abfindungszahlung
wurde dann für eine gemeinsame Immobilie verwendet. Seither hatte die
Ehefrau nur noch Teilzeit gearbeitet oder aber war geringfügig
selbstständig tätig, führte aber ansonsten in den restlichen über 10
Ehejahren überwiegend „nur“ den Haushalt.
Die Ehefrau begehrte
nachehelichen Unterhalt, da nach ihrer Ansicht durch einstige Aufgabe
ihrer Berufstätigkeit ihr ein ehebedingter Nachteil entstanden sei.
Der
Ehemann verweigerte die Unterhaltszahlung, da nach seiner Ansicht ein
ehebedingter Nachteil nicht festzustellen sei: die Aufgabe des Jobs sei
seinerzeit unabhängig von der Geburt des Kindes erfolgt, diese Aufgabe
der Erwerbstätigkeit sei im übrigen freiwillig erfolgt. Entscheidend
aber sei insbesondere, dass die Nichtaufnahme einer gleichwertigen
Erwerbstätigkeit noch während der Ehezeit nicht abgesprochen gewesen
sei, sondern die Ehefrau gegen den Willen des Ehemannes sich einfach zur
“Ruhe gesetzt habe“.
Das Amtsgericht und das
Oberlandesgericht hatten der Unterhaltsklage stattgegeben, wonach der
Kläger hiergegen Revision beim BGH einlegte.
III. Entscheidung des BGH:
Der BGH bestätigte die Vorinstanzen und wies die Revision zurück:
1. Einwilligung / Zustimmung zur Aufgabe der Erwerbstätigkeit unerheblich
Wenn
der unterhaltsberechtigte Ehegatte während des Bestehens der ehelichen
Lebensgemeinschaft seinen Arbeitsplatz aufgibt, ist es nach Ansicht der
Bundesrichter grundsätzlich nicht von Bedeutung, ob der
unterhaltspflichtige Ehegatte damit einverstanden war oder nicht:
Nach
der Gesetzesformulierung käme es allein darauf an, ob sich die
Nachteile (vor allem) aus der Dauer der Pflege oder Erziehung eines
gemeinschaftlichen Kindes oder aus der Gestaltung von Haushaltsführung
und Erwerbstätigkeit während der Ehe ergeben (§ 1578b Abs. 1 S. 3 BGB).
Wie sich aus dem Wortlaut des Gesetzes ergäbe, sei somit nur auf die tatsächliche
Gestaltung von Kinderbetreuung und Haushaltsführung abzustellen. Bei
den gesetzlichen Kriterien handele es sich alleinig um objektive
Umstände, denen kein Unwerturteil und keine subjektive Vorwerfbarkeit
anhaften würde sowie keine Aufarbeitung ehelichen Fehlverhaltensstattfände. Daher
könne der unterhaltspflichtige Ehegatte nicht einwenden, dass er den
Unterhaltsberechtigten während der Ehe zur Berufstätigkeit angehalten
habe bzw. dieser gegen seinen Willen seine Erwerbstätigkeit aufgegeben
bzw. nicht wieder aufgenommen habe.
Selbst wenn
man aber eine einvernehmliche Regelung der Haushaltsführung und
Erwerbstätigkeit verlangen wolle, müsse grundsätzlich beachtet werden,
dass und wie lange die Ehe anschließend weitergeführt worden sei (im
vorliegenden Fall immerhin über 10 Jahre).
2. Kausalität des ehebedingten Nachteil
Ein
ehebedingter Nachteil läge bei solchen Fallgestaltungen daher nur dann
nicht vor, wenn die Ehegestaltung für den Erwerbsnachteil nicht
ursächlich geworden sei. Das wäre der Fall, wenn die Klägerin ihren
Arbeitsplatz ausschließlich aus Gründen aufgegeben oder verloren hätte,
die außerhalb der Ehegestaltung liegen, so etwa aufgrund einer von ihr
persönlich beschlossenen beruflichen Neuorientierung oder wegen einer
betriebs- oder krankheitsbedingten Kündigung seitens des Arbeitgebers.
In diesem Falle würde es an einem ehebedingten Nachteil fehlen, wenn der
Erwerbsnachteil auch ohne die Ehe und die mit ihr verbundene
Rollenverteilung eingetreten wäre.
IV. Bewertung
Der
BGH setzt mit dieser Entscheidung die Linie fort, die er zum gleichen
Problem bereits in einer vormaligen Entscheidung bekundet hat
(Senatsurteil vom 20. Oktober 2010 - XII ZR 53/09).
Die
Entscheidung gründet zwar unzweifelhaft auf den geltenden
Gesetzeswortlaut und gibt damit wohl den Willen des Gesetzgebers wieder.
Auch der Einzelfall ist offensichtlich absolut zutreffend beurteilt
worden, schließlich hatte das Ehepaar noch über 10 Jahre zusammengelebt
und in dieser Zeit auch die nicht unerhebliche Abfindungszahlung der
Ehefrau für gemeinsame Zwecke ausgegeben.
Gleichwohl bestehen in
grundsätzlicher Hinsicht einige Bedenken: wenn tatsächlich ein
Ehepartner gegen den Willen des anderen Ehepartners seine
Erwerbstätigkeit aufgibt, obwohl objektive Gründe hierfür nicht
ersichtlich sind, verbleibt es bei rein subjektiven Motiven, denen ja
nach Ansicht des BGH gerade keine Relevanz eingeräumt werden soll und
darf. Eine gewisse Widersprüchlichkeit in der Begründung ist daher nicht
zu leugnen. Letztlich soll mit dieser Auffassung aber
offensichtlich erreicht werden, dass im Nachhinein ein derartiger
Rechtsstreit nicht davon abhängen soll, welcher Ehepartner den Beweis
antreten kann, aus welchen exakten Motiven eine seinerzeitige Arbeit
beendet wurde; ganz unabhängig davon, dass diese Frage nach erheblichen
Ehejahren ohnehin nicht mehr nachweisbar sein dürfte.
Diese Auffassung
bedeutet im Ergebnis aber nichts anderes als eine Beweislastregel: zum
einen hätte man dies dann auch so benennen können, zum anderen hätte man
tatsächlich Ausnahmen für die Fälle schaffen können, in denen
tatsächlich nachweisbar ist, dass die Erwerbstätigkeit alleinig auf
„eigene Faust“ gegen den Willen des anderen Ehepartners aufgegeben
worden war.
V. Fazit
In der Praxis sollte
man sich daher sowohl als potentieller Unterhaltsschuldner, als auch als
potentieller Unterhaltsgläubiger, im Rahmen des Streites über den
nachehelichen Unterhalt nicht mit dem -menschlich und logisch ja
ansonsten gut nachvollziehbaren- Argument beschäftigen, der potentielle
Unterhaltsgläubiger habe seine Erwerbstätigkeit aus eigenem Antrieb
heraus freiwillig aufgegeben, dies insbesondere dann nicht, wenn die
nachfolgende hier noch Jahre Bestand gehabt hat. Wer basierend auf
dieser Argumentation glaubt, den Unterhaltsanspruch negieren zu können,
wird spätestens beim zuständigen Familiengericht eines Besseren belehrt.
Das Kriterium des ehebedingten Nachteils ist nach wie vor der
entscheidende Punkt bei der Frage des nachehelichen Unterhalt, oben
genannte Argumentation hilft bei der Entscheidung jedoch definitiv nicht
weiter.
Rechtsanwalt Mathias Henke, Dortmund