Rechtstipp im Familienrecht
Einmal Chefarztgattin – immer Chefarztgattin? Wie viel Unterhalt bekommt die erste, wie viel die zweite Ehefrau?
Das ist landläufig
bekannt: Wer sich scheiden lässt, kommt um den Unterhalt nicht herum. Meistens
zahlt der Mann und die Frau erhält. Doch wie hoch ist der Unterhalt unter
Eheleuten? Diese Frage ist seit Langem so klar wie unklar: er hängt von den
ehelichen Lebensverhältnissen ab, wird also nicht pauschal nach Tabellen wie
beim Kindesunterhalt berechnet. Das Einkommen der einzelnen Geschiedenen wurde
– vereinfacht gesagt – addiert und dann durch zwei geteilt. Das jeweilige
Einkommen wurde auf den so ermittelten Unterhaltsbedarf angerechnet. Bis zum
31.12.2007 wurden die ehelichen Lebensverhältnisse für den Zeitpunkt der
Scheidung ermittelt. Wer als Chefarztgattin geschieden wurde, konnte praktisch
den Rest seiner Tage Unterhalt als Chefarztgattin erhalten. Neben vielen betroffenen
Männern fand das dann auch der Gesetzgeber ungerecht und erneuerte mit Wirkung
zum 1.1.2008 das Unterhaltsrecht. Nachehelicher Unterhalt lässt sich nun
stärker zeitlich befristen und der Höhe nach reduzieren, alles unter dem
Gesichtspunkt, dass der geschiedene Ehepartner grundsätzlich für sich selbst
für seinen Lebensunterhalt aufkommen muss. Des Weiteren ist die Rangfolge der
Unterhaltsberechtigten für den Fall, dass der Unterhaltspflichtige nicht in der
Lage ist, ihnen allen Unterhalt zu leisten (sogenannter Mangelfall), neu
festgelegt worden: Während den minderjährigen Kindern der erste Rang zugewiesen
ist, sind geschiedene und neue Ehegatten im Rang grundsätzlich gleichgestellt. Chefarztgattin
ade!
Diese neue
Gesetzeslage hat den Bundesgerichtshof veranlasst, in einem Grundsatzurteil
festzustellen, wie viel Unterhalt ein geschiedener Ehegatte verlangen kann,
wenn ein neuer Ehegatte vorhanden ist. Mit Urteil vom 30. Juli 2008
hat er erstmals eine Unterhaltspflicht gegenüber einem neuen Ehepartner in die
Bemessung des Bedarfs des geschiedenen Ehegatten einbezogen und geurteilt, dass
der Unterhaltsbedarf des geschiedenen Ehegatten zu ermitteln sei, indem seine
Einkünfte ebenso wie diejenigen des Unterhaltspflichtigen und dessen neuen
Ehepartners zusammengefasst und durch drei geteilt würden (sogenannte
Dreiteilungsmethode). In einer Kontrollrechnung sei anschließend sicherzustellen,
dass der geschiedene Ehegatte höchstens den Unterhalt erhalte, der sich ergäbe,
wenn der Unterhaltspflichtige nicht erneut geheiratet hätte. Immerhin seien der
alte und der neue Ehegatte gleichrangig; zudem zeigten die Regelungen zur
Befristung und Höhenbeschränkung des nachehelichen Unterhaltes, dass sich die
ehelichen Lebensverhältnisse nach der Scheidung zulasten des Geschiedenen
durchaus ändern könnten.
Damit ergab sich
die Situation, dass bei der Ermittlung der Höhe des Geschiedenenunterhaltes vor
einer Wiederheirat die Einkünfte der Geschiedenen durch zwei, nach der
Wiederheirat aber durch drei geteilt werden. Das benachteiligt den Geschiedenen
grundsätzlich und selbst dann, wenn der neue Ehegatte sehr hohes Einkommen hat,
da der Geschiedenenunterhalt durch die Kontrollrechnung nach oben beschränkt
wird auf den Betrag, der vor der Wiederheirat hätte verlangt werden können.
Diese
Benachteiligung ist ab sofort gekippt: Das Bundesverfassungsgericht hat mit
Beschluss vom 25.01.2011, 1 BvR 918/10, die Dreiteilungsmethode für
verfassungswidrig erklärt. Die Rechtsprechung des BGH ersetze
ungerechtfertigterweise die gesetzgeberische Grundentscheidung zur Bestimmung
des Unterhaltsbedarfs durch eigene Gerechtigkeitsvorstellungen. Das stehe dem
Gericht nicht zu. Das BVerfG hat ein Urteil des Saarländischen
Oberlandesgerichts, welches die BGH-Rechtsprechung angewendet hatte, aufgehoben
und zur neuen Entscheidung zurückgewiesen. Man darf gespannt sein, was der BGH
aus der neuen Rechtsprechungslage macht.
Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 25.01.2011,
- 1 BvR 918/10 -