Rechtstipp im Erbrecht
Ausschlagung der Erbschaft aus „allen Gründen“ ist gefährlich
Schlägt ein Erbe „aus allen Berufungsgründen“ die Erbschaft aus, erfasst die Ausschlagung bei gesetzlicher Erbfolge sowohl die dem Ausschlagenden bekannten als auch ihm unbekannte Berufungsgründe und ist nicht wegen Irrtums anfechtbar.
Das OLG Hamm hatte folgenden Fall zu entscheiden:
Nach dem Tod des längstlebenden Elternteils trat gesetzliche Erbfolge zu Gunsten der drei Kinder ein. Ein Sohn schlug die Erbschaft „aus jedem Berufungsgrund“ aus.
Die Ausschlagung wollte er dann wegen Irrtums anfechten, weil er der Auffassung war, dass ein privatschriftliches Testament der Eltern, in welchem seine Geschwister als Erben eingesetzt wurden, gültig sei, so dass er die Ausschlagungserklärung in Unkenntnis der richtigen Rechtslage abgegeben hatte.
Das Amtsgericht als Nachlassgericht sah dies ebenso und kündigte einen entsprechenden Erbschein an.
Das OLG Hamm entschied anders und begründet dies damit, dass der Ausschlagende mit der Ausschlagungserklärung „aus allen Berufungsgründen“ gezeigt hat, dass der Sohn keinerlei Teilhabe am Nachlass begehrt.
Durch die Ausschlagung hat er rückwirkend seine Erbenstellung verloren, § 1953 I BGB, so dass sein Erbteil auf seine Kinder als Nächstberufene überging, §§ 1953 II, 1924 III, IV BGB.
Selbst wenn er sich bei der Abgabe der Ausschlagungserklärung Fehlvorstellungen gemacht und daher diese als Irrtum über den Berufungsgrund gem. § 1949 BGB anführen kann (Unkenntnis seiner Stellung als gesetzlicher Miterbe), ist dieser Irrtum für die Ausschlagung nicht ursächlich geworden.
Da er ausdrücklich „aus allen Berufungsgründen“ ausgeschlagen hat, erfasst die Erklärung nicht nur die dem Ausschlagenden bekannten (gesetzliche Erbfolge), sondern gerade auch die ihm unbekannten Berufungsgründe. Eine solche Erklärung zeigt, dass dem Ausschlagenden der konkrete Berufungsgrund gleichgültig ist (dies wurde bisher schon so gehandhabt: BVerwG, FamRZ 2010, 1250; OLG Karlsruhe, ZEV 2007, 380; Palandt/Weidlich, BGB, 70. Aufl., § 1949 BGB Rdnr. 3).
Allzu schnell werden in der Regel Ausschlagungen „aus allen Berufungsgründen“ notariell beurkundet. Dabei wird oft übersehen, dass eine Erbenstellung auf gewillkürter oder gesetzlicher Erbfolge beruhen kann. Die Ausschlagung sollte auf den jeweiligen Berufungsgrund ausdrücklich beschränkt werden, andernfalls der Verlust der gesamten Erbschaft, gleich aus welchem Rechtsgrund, droht.