Rechtstipp im Bankrecht
Nachträglicher Widerruf des Darlehensvertrages durch den Verbraucher bei fehlerhafter Widerrufsbelehrung
Mittlerweile wird immer mehr klar, dass die verbraucherrechtlichen Widerrufsbelehrungen in Darlehensverträgen in der Vergangenheit oftmals fehlerhaft waren- und zwar unabhängig davon, um welches Institut es sich handelt. Dies wird immer mehr Verbrauchern zwischenzeitlich bekannt bzw. bewusst- oftmals aber erst nach Ablösung der betroffenen, alten und sehr teuren Kredite, welche man durch die aktuell gute Beschäftigungslage und die niedrigen Zinsen aus Eigenmitteln oder durch Umschuldung durchführen konnte.
Für diese Verbraucher stellt sich dann regelmäßig die Frage, ob man nun im Nachhinein durch einen Widerruf noch etwas bewegen und eine Rückerstattung von der Bank verlangen kann.
Zunächst ist hier anwaltlich das einschlägige Recht zu finden, da sich die Vorschriften insoweit in den vergangenen Jahren vergleichsweise häufig geändert haben. In der Regel ist aber – die tatsächliche Fehlerhaftigkeit der Widerufsbelehrung unterstellt - festzuhalten, dass die auf den Widerruf gestützte Rückforderung bei schlichter Anwendung der einschlägigen Gesetze grundsätzlich gegeben ist. Wurde der Verbraucher über sein Widerrufsrecht nicht ordnungsgemäß belehrt, besteht dieses schließlich nach § 355 Abs. 4 5. 3 BGB zeitlich unbegrenzt fort (so genanntes „ewiges Widerrufsrecht“).
In der Auseinandersetzung mit der Bank geht der Streit daher regelmäßig auch „nur“ darüber, ob diese Anwendung der Gesetzeslage vorliegend für die Bank grob unbillig wäre, mithin vorliegend eine so genannte Verwirkung der Rechte des Verbrauchers als Unterfallgruppe des Grundsatzes von Treu und Glauben nach § 242 BGB einschlägig ist.
Es geht also darum, ob die die grundsätzliche Gesetzeslage durch die Generalklausel des § 242 BGB korrigiert werden muss. Dies ist natürlich dem Grunde nach eine Einzelfallbetrachtung, aber nach unserem Dafürhalten fast durchweg klar zu verneinen:
Die höchstrichterliche Rechtsprechung wendet das Rechtsinstitut der Verwirkung schließlich (zu Recht) generell sehr restriktiv an. Die Verwirkung eines Rechts setzt voraus,
- dass sich der Anspruchsgegner wegen der Untätigkeit des Anspruchsinhabers über einen gewissen Zeitraum hinweg (Zeitmoment),
- bei objektiver Betrachtung darauf einrichten durfte und eingerichtet hat, dieser werde von seinem Recht nicht mehr Gebrauch machen (Umstandsmoment) und
-. die verspätete Geltendmachung daher gegen den Grundsatz von Treu und Glauben verstößt.
Es stellt sich hierbei schon die Frage, ob gegenüber Verbrauchern und bei Verbraucherschutzrechten überhaupt § 242 BGB Anwendung finden kann. Häufig erhalten Verbraucher schließlich erst nach Jahren, unter Umständen im Laufe eines Rechtsstreits, von ihren Prozessbevollmächtigten Kenntnis von der immer noch bestehenden Widerrufsmöglichkeit. Beim Widerruf müsste sich das Vertrauen zudem darauf beziehen, dass der über sein Widerrufsrecht nicht oder nicht ordnungsgemäß belehrte Verbraucher Kenntnis von seinem Widerrufsrecht erlangt hat, dieses aber nicht ausüben wollte. Dies dürfte generell zu verneinen sein.
Dennoch gibt es in der Tat eine Auffassung (Mindermeinung), wonach auch beim Widerruf des Darlehensvertrages durch den Verbraucher bei beiderseitig vollständiger Leistungserbringung das Umstandsmoment hinzutreten kann, welches in dem Vertrauen auf die Nichtausübung eines Widerrufs zu sehen sein kann, so zum Beispiel die von der Bank häufig herangezogene, relativ aktuelle Rechtsprechung des OLGs Köln (aus 2012), wonach sieben Jahre nach Vertragsschluss und fünf Jahre nach vollständiger Leistungserbringung dies gegeben sei soll.
Doch selbst wenn man sich diesem Rechtsstandpunkt einnehmen wollte, so würde dies im Großteil der Fälle dennoch nicht zur Verwirkung des Rechtes des Verbrauchers führen:
Meistens liegen schließlich geringere Zeitspannen zwischen Ablösung des Kredites und Widerruf - und nicht mehrere Jahre. Im Übrigen ist auch zu prüfen, ob der eigentliche Vertrag ohne vorzeitige Beendigung noch laufen würde. Eine Bank, welche sich ja durch ihr Tagesgeschäft bestens über die rechtliche Problematik/Unwirksamkeit ihrer eigenen Widerrufsbelehrungen auskennt, hat sich nach unserem Dafürhalten nämlich zumindest bis dahin - und noch sogar einige Zeit darüber hinaus - auf einen Verbraucherwiderruf einzustellen. Wenn also im zeitlichen Zusammenhang mit dem ursprünglich vereinbarten Vertragsende widerrufen wird, so kann sich die Bank hier nicht auf ein angeblich gesteigertes Vertrauen berufen.
Im Übrigen überzeugt dieser Rechtsauffassung auch vom Ansatz her nicht:
So hat es die finanzierende Bank selbst in der Hand, wirksam zu belehren und notfalls wirksam nach zu belehren und die Widerrufsfrist in Gang zu setzen. Die Verwirkung bei fehlerhafter Widerrufsbelehrung ist daher mangels Vorliegens des Umstandsmomentes generell abzulehnen. Nochmals: Der zur Belehrung Verpflichtete (Unternehmer) hätte sich nicht auf die Nichtgeltendmachung des Widerrufsrechtes einrichten dürfen, da es in seiner eigenen Hand gelegen habe, den Schwebezustand durch eine den gesetzlichen Anforderungen genügenden Nachbelehrung zu beenden. So sieht dies auch die aus unserer Sicht herrschende Meinung in der Rechtsprechung wie z.B. der BGH bereits in einer Entscheidung aus 2006 (, wonach übrigens ein Widerruf noch 10 Jahre nach Vertragsschluss völlig in Ordnung sei) und OLG Oldenburg (2009) sowie das Brandenburgisches OLG (2011) und auch das OLG Frankfurt (2001).
Die Nachteile einer fehlenden oder unrichtigen und auch nicht nachgeholten Widerufsbelehrung hat eben grundsätzlich der Unternehmer als Verwender selbst zu tragen, es sei denn, der Verbraucher habe dem Unternehmer gegenüber Schädigungsabsicht (illoyales Verhalten. Ein solches Verhalten ist den Verbrauchern in der Regel nun wirklich nicht zu unterstellen.
Vor diesem Hintergrund dürfte es sich im Ergebnis für eine Vielzahl von Verbrauchern durchaus lohnen, ältere laufende Kreditverträge und/ oder ältere, vor kurzem abgelöste Kreditverträge anwaltlich nach der Wirksamkeit der Widerrufsbelehrung prüfen zu lassen. Ist diese Belehrung dann tatsächlich fehlerhaft, so hat man regelmäßig gute Aussichten, den Vertrag noch widerrufen zu können und kann damit für die Vergangenheit – bei den recht „üppigen“ Zinsen, die in solchen Verträgen normalerweise enthalten sind - nicht unerhebliche Erstattungszahlungen durch die Bank zu erreichen.