Rechtstipp im Bankrecht
Fehlerhafte Widerrufsbelehrung: Wegfall des „Widerrufsjokers“
Ohne größere öffentliche Resonanz ist kürzlich am 21.03.2016 das Gesetz zur Umsetzung der europarechtlichen Wohnimmobilienkreditrichtlinie in Kraft getreten.
Dieses Gesetz enthält zwar auch einige verbraucherschützenden Vorschriften. So müssen die Banken künftig bei der Kreditvergabe die Kreditwürdigkeit ihrer Kunden strenger prüfen; ebenso soll es mehr Schutz bei hohen Dispozinsen geben.
Auf der anderen Seite enthält das Gesetz aber auch eine offen gesagt verbraucherfeindliche bzw. zumindest sehr bankenfreundliche Regelung: Den Wegfall des „ewigen Widerrufsrechtes“, auch „Widerrufsjoker“ genannt. So erlischt ein Widerrufsrecht des Verbrauchers nun unabhängig von der fehlerfreien Belehrung spätestens nach einem Jahr und 14 Tagen.
Aber mehr noch: Der nunmehrige Wegfall des Widerrufsrechtes gilt nicht nur für künftige Verträge, sondern sogar für (Immobilien-) Altverträge, siehe die Übergangsvorschrift des Artikels 229, § 38 Abs. 3 EGBGB. Demnach kann bei Kreditverträgen zur Immobilienfinanzierung, die zwischen dem 1. September 2002 und dem 10. Juni 2010 geschlossen wurden, das Widerrufsrecht wegen unzureichender Widerrufsbelehrung durch den Verbraucher nur noch bis zum 21.06.2016 geltend gemacht werden.
Da man erfahrungsgemäß davon ausgehen kann, dass die Mehrzahl der von den Kreditinstituten bei der Immobilienfinanzierung verwendeten Widerrufsbelehrungen in dem Zeitraum 2002 bis 2010 fehlerhaft bzw. angreifbar ist, so werden durch diese Gesetzesänderung de facto Millionen von Eigenheimkredite mit einem entsprechend hohen Kreditvolumen zum 21.06.2016 zu Gunsten der Bankenbranche „geklärt“.
Angesichts des derzeit sehr niedrigen Zinsniveaus geht es hierbei für den einzelnen Darlehensnehmer regelmäßig um viel Geld, d.h. - inkl. Zinsersparnis in der Zukunft - betragsmäßig häufig um mehrere zehntausend Euro. So fällt bei einem wirksamen Widerruf KEINE Vorfälligkeitsentschädigung an; im Gegenteil verringert sich der Ablösewert sogar häufig etwas wegen Zinsvergütungspflichten der Bank für die Vergangenheit.
Allerdings raten wir an, vor einer tatsächlichen Erklärung des Widerrufes die Frage der Ablöse bzw. sofern nötig der etwaigen Folgefinanzierung durch eine Bank abzuklären. Schließlich kann man erfahrungsgemäß nicht damit rechnen, dass das Kreditinstitut, welches einen Widerruf „kassiert“, ohne weiteres einsichtig ist oder gar gleich selbst die Folgefinanzierung abschließt. Man muss daher nach Erklärung des Widerrufes die Restsumme auch tatsächlich zahlen können.
Fazit: Diejenigen betroffenen Immobilieneigentümer, welche den Widerrufsjoker noch nicht „gezogen“ haben und dies aber noch tun möchten, sollten nun zeitnah vor dem 21.06.2016 ihre Kreditverträge prüfen (lassen) bzw. den Widerruf noch rechtzeitig erklären. Für künftige Verträge wird es ohnehin nur noch ein kleines Zeitfenster geben.
Michael Wagner, M.B.L.T.
Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht