Rechtstipp im Bankrecht
Berechnung des Ablösebetrages bei Widerruf des Darlehensvertrages
1. streitige Berechnungsmethode
Mit Ablauf des 21.06.2016 ist der „Widerrufsjoker“ bei Immobiliardarlehen weggefallen. Allerdings haben einige Darlehensnehmer zuvor noch den Widerruf rechtzeitig erklärt. Zudem gibt es noch viele, nicht grundpfandrechtlich gesicherte Darlehen, welche keine „Immobiliardarlehen“ im Rechtssinne sind und daher von Wegfall des Widerrufrechtes auch betroffen sind.
Bei all diesen Konstellationen stellt sich die Frage, wie der Ablösebetrag nach Widerruf berechnet werden soll. Insoweit werden von den Obergerichten unterschiedliche Berechnungsmethoden propagiert. Es gibt im Wesentlichen 2 Grundlinien, welche gut anhand der aktuellen Rechtsprechung des Oberlandesgerichtes Stuttgart und des Oberlandesgerichtes Frankfurt am Main dargestellt werden können:
2. OLG Stuttgart
Nach der Berechnungsmethode des OLGs Stuttgart (Urteil vom 24. November 2015, 6 U 140/14) hat der Verbraucher lediglich einen Anspruch auf Rückzahlung des Zinsanteils aus seinen Darlehensraten. Hier heben sich rechnerisch zunächst der Anspruch des Darlehensnehmers auf Rückerstattung der Zinszahlungen und der Anspruch der Bank auf Wertersatz für die Kapitalüberlassung auf. Beide Ansprüche sind nämlich denklogisch immer die vom Darlehensnehmer vertraglich gezahlten Zinsen.
Demnach hat nach OLG Stuttgart die Bank also im Ergebnis noch einen Anspruch gemäß § 346 Abs.1 BGB auf die im Zeitpunkt des Widerrufs nach dem Vertrag gegebene Darlehensvaluta. Im Gegenzug schuldet die Bank dem Darlehensnehmer aber gemäß § 346 Abs. 1 BGB die Herausgabe von Nutzungen, welche sie aus den Zinszahlungen des Klägers tatsächlich gezogen hat. Diese Nutzungen werden wiederum – so das OLG Stuttgart – berechnet mit Zinsen von 2,5- Prozent über dem Basiszinssatz p.a.
Im Ergebnis muss man also nach OLG Stuttgart einfach jede einzelne, monatliche Zinszahlung (ohne Tilgungsanteil) mit 2,5 Prozent über Basis p.a. bis zum Widerrufstag verzinsen. Die sich hieraus ergebenden Zinsen sind von der nach dem Kreditvertrag zum Widerrufszeitpunkt bestehenden Darlehensvaluta abzuziehen, um den abschließenden Zahlungsbetrag zu errechnen.
3. OLG Frankfurt
Im Gegensatz hierzu sind nach der Auffassung des OLGs Frankfurt die kompletten Zahlungen des Darlehensnehmers (Zins- und Tilgungsanteil) zu verzinsen. Umgekehrt wird aber der Nutzungsersatz an die Bank nach dieser Meinung nur auf den während der Darlehenslaufzeit bis zum Widerruf jeweils sukzessiv verringerten Darlehensbetrag geschuldet.
Die Zinshöhe wird nach dieser Auffassung zudem auf 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz vermutet. Auf den bei Immobiliarkrediten gesetzlich vorgesehen, niedrigeren Verzugszinssatz von 2,5 Prozent über Basiszins kommt es nicht an, siehe zu alledem zuletzt das Urteil des OLGs Frankfurt vom 27.04.2016 - 23 U 50/15.
Im Ergebnis muss man also nach OLG Frankfurt jede einzelne, monatliche Ratenzahlung in die Berechnung einstellen und diese zusätzlich komplett (Zins- und Tilgung) mit 5 Prozent über Basis p.a. bis zum Widerrufstag verzinsen. Dagegen gerechnet werden sodann der ursprüngliche Darlehensbetrag sowie alle nach dem Darlehensvertrag bis zum Widerruf angefallenen, vertraglichen Zinsen.
4. Fazit und eigenes Statement
4.1.
Die Berechnungsmethode des OLGs Frankfurt ist sehr verbraucherfreundlich. Dies nicht nur, weil die vermutete Verzinsung von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz p.a. höher ist. Entscheidender ist vielmehr, dass der Darlehensnehmer seine kompletten Darlehensraten mit diesen Zinsen vom ursprünglichen Kreditbetrag abziehen kann, während die Bank ihre vertraglichen Zinsen lediglich aus den monatlich noch nicht getilgten Anteil der Darlehenssumme erhält.
Beim Darlehensnehmer werden also nach OLG Frankfurt die Tilgungen bei der Bemessungsgrundlage der Zinsen nicht berücksichtigt, denn er erhält Zinsen aus seinen kompletten Zahlungen. Demgegenüber erhält die Bank keine Zinsen aus ihrer kompletten Zahlung (= ursprünglicher Kreditbetrag), sondern lediglich aus dem noch nicht getilgten Teil.
Genau hierin sieht das OLG Stuttgart einen „Wertungswiderspruch“, welcher zu der obigen Berechnung führt. Anderseits stellt sich hier das OLG Stuttgart aus unserer Sicht hier unvereinbar gegen die anders lautenden Ausführungen des BGHs, nach denen eben nicht nur die Zinszahlungen des Darlehensnehmers, sondern die komplette Monatsrate zu verzinsen ist.
4.2.
Der Unterzeichner sieht diesen Wertungswiderspruch grundsätzlich auch. Er neigt alternativ zum OLG Stuttgart dazu, einfach bei der Berechnungsmethode zu Gunsten der Bank den kompletten, ursprünglichen Kreditbetrag als Bemessungsgrundlage für die vertraglichen Zinsen heranzuziehen. Auf der anderen Seite sollten aber in der Tat die kompletten Darlehensraten- und auch mit 5 Prozentpunkten über Basiszinssatz p.a. - verzinst werden, vgl. zu der hier vorgeschlagenen Berechnung instruktiv die Entscheidung des Landgerichtes Mannheim, Urteil vom 16.03.2013, 80 2137/11 in BeckRS 2012, 17270.
Diese Methode ist nach der hiesigen Auffassung vorzugswürdig, weil sie – wie bei der Rückabwicklung klassischer Weise vorgesehen - die wechselseitig tatsächlich bezahlten Beträge umfassend berücksichtigt. Sie ist deshalb sachgerecht, weil dann - der hiesigen Meinung nach zu monierende - Widerrufe lange Zeit nach Ablösung des widerrufenen Kredites wirtschaftlich nicht mehr sinnvoll sind.
Wie auch immer bleibt zu hoffen, dass der Bundesgerichtshof hier nun in Kürze Klarheit schafft (bzw. schaffen kann, bevor sich wieder Revisionen erledigen bzw. Revisionen zurückgenommen werden).
4.3.
Abschließend sei der Vollständigkeit halber bemerkt, dass die Parteien, insbesondere die Bank, auch abweichende Zinssätze für die Nutzungen an den gezahlten Darlehensraten darlegen und beweisen können. Die 5 Prozentpunkte bzw. 2,5- Prozentpunkte über Basiszins p.a. sind nur Vermutungsregeln, welche natürlich im Einzelfall widerlegt werden können (, was aber selten gelingt).
Bei Fragen zu der im Einzelfall an der gegebenen Örtlichkeit sinnvollen Berechnungsmethode steht der Unterzeichner gerne beratend zur Seite.
Michael Wagner, M.B.L.T.
Rechtsanwalt und Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht