Rechtstipp im Bankrecht
Aktuelle Entwicklung der Rechtsprechung zu den verdeckten Rückvergütungen („Kick-Back“- Rechtsprechung)
In den letzten Jahren hat die Rechtsprechung zu Provisionszahlungen und Rückvergütunge/Kick- Backs beim Vertrieb von Kapitalanlageprodukten immer größere Verbreitung – auch in der Presse – erlangt.
1. „Kick- Back“
„Kick-back“ ist eigentlich ein international gebräuchlicher Begriff für Bestechungs- oder Schmiergeldzahlungen, die auf dem Umweg über erhöhte Rechnungen oder Provisionsvereinbarungen zurückfließen. Im Kapitalanlagerecht hat sich dieser Begriff eigebürgert für Rückvergütungen, die ein Berater/Vermittler von dem Emittenten eines Finanzproduktes dafür erhält, dass er gerade dieses Produkt an seinen Kunden vermittelt/empfiehlt.
2. Anlegerschutz
Gerade wenn solche Kauf/- Anlageempfehlungen durch Bankmitarbeiter erfolgten, sah dies die Rechtsprechung in den letzten Jahren zunehmend kritisch, da der Kunde hier – insbesondere bei seiner Hausbank - eine objektive Beratung ohne wirtschaftliches Eigeninteresse des Bankberaters erwartet.
Diese den Anleger begünstigende Rechtsprechung fand Ihren ersten Höhepunkt in der Grundsatzentscheidung des BGHs aus Dezember 2006 (BGH WM 2007, 487), in welcher der BGH zur Anlageberatung ausdrücklich feststellte, dass eine Bank, die Fondsanteile empfiehlt, darauf hinweisen muss, dass und in welcher Höhe sie Rückvergütungen aus Ausgabeaufschlägen und jährlichen Verwaltungsgebühren erhält. Diese Aufklärung sei notwendig, um dem Kunden einen insofern bestehenden Interessenkonflikt offenzulegen. Es bestünde die konkrete Gefahr, dass die Bank eine Empfehlung nicht allein im Kundeninteresse ausspricht, sondern zumindest auch ihr eigenes Interesse an möglichst hohen Rückvergütungen berücksichtigt. Erst durch die Aufklärung könne der Kunde beurteilen, ob eine bestimmte Empfehlung nur deshalb erfolgt, weil die Bank selbst daran verdient.
Diese anlegerfreundliche Rechtsprechung mündete sodann in den beiden großen Kick-Back-Entscheidungen des Bundesgerichtshofes des Jahres 2009 (BGH, WM 2009, 405 sowie BGH, WM 2009, 1274). In diesen wurde nicht nur der Anwendungsbereich auf weitere Anlageprodukte auch des grauen Kapitalmarktes, wie z.B. Medienfonds, erweitert. Der BGH stellte des Weiteren fest, dass im Falle einer Aufklärungspflichtverletzung für den Anleger die Vermutung aufklärungsrichtigen Verhaltens besteht.
Der Anlagerschutzklage war somit bei Kick- Backs grundsätzlich Tür und Tor geöffnet, wovon auch von speziellen „Anlegeranwälten“ rege Gebrauch gemacht wurde, wobei natürlich auch die Banken- und Finanzkrise und die damit verbundenen Ausfälle/Verluste einen erheblichen Beitrag zu der Vielzahl an Rechtsfällen leistete.
3. Tendenzen in der Instanzrechtsprechung und Rechtsunsicherheit
Nachdem regelmäßig – zumindest in der Vergangenheit – keine oder eine nur sehr eingeschränkte Aufklärung über die interne Vergütungen an die Bank erfolgte und naturgemäß die Banken regelmäßig auch bei den Transaktionen mitverdienten (alleine die Depotgebühren können keine Anlageberater finanzieren/bezahlen), schien die Kick- Back- Rechtsprechung eine Art Allheilmittel für den „gebeutelten“ Anleger zu sein.
Der eigentliche Einzelfall und dessen Besonderheiten trat hiergegen in den Hintergrund, was auch teilweise zu unsachgemäßen Ergebnissen führte, da eben nicht alle Innenprovisionen gleich „Schmiergelder“ und naturgemäß auch nicht alle Anleger gleich unbedarft bzw. wissend sind. Dies führte gerade in der Instanzrechtsprechung zu höchst unterschiedlichen Entscheidungen- teilweise wurde ein Korrektiv in Bezug auf den Einzelfall gesucht; teilweise hat man die Rechtsprechung des BGHs sogar noch auf weitere Konstellationen ausgeweitet.
Einschränkend gingen zum Beispiel sowohl das Landgericht Itzehoe als auch das Landgericht Chemnitz davon aus, dass eine Bank nicht darüber aufklären muss, dass sie eine Provision von 3,5 % des Verkaufspreises für sich einbehalten hat (LG Itzehoe WM 2009, 1746; LG Chemnitz WM 2009, 1505). Eine Provision von 3,5 % des Kaufpreises für die Vermittlung von lnhaberschuldverschreibungen einer ausländischen Investmentbank sei nämlich nicht ungewöhnlich hoch, sodass nicht von einer Beeinträchtigung der Beratungspflicht auszugehen sei. Billigerweise könne der Kunde im Übrigen auch nicht erwarten, ohne Vergütung beraten zu werden.
Das Landgericht Hamburg wiederum dehnte – interessanter Weise ebenfalls bei einem Zertifikat von Lehman Brothers - die Kick-Back-Rechtsprechung des BGH darauf aus, dass sogar die zu erwartende Gewinnmarge aus dem Vertrieb eines Zertifikats aufgeklärt werden müsse (LG Hamburg WM 2009, 1282; LG Hamburg WM 2009, 1511, LG Hamburg WM 2009, 1363). Nach Sinn und Zweck der Aufklärungspflicht müsse diese unabhängig von der Ausgestaltung der Vergütung gelten, gleich ob es sich um einen Rückfluss handelt oder nicht oder ob es um eine Provision geht oder um eine Gewinnmarge.
4. neuere, einschränkende Rechtsprechung des BGHs
In einer neueren Entscheidung des BGHs hat dieser eine Einschränkung seiner bisherigen Rechtsprechung dahingehen vorgenommen, dass deutlich zwischen Rückvergütungen (Kick-Backs) und Innenprovisionen unterschieden wurde.
Aufklärungspflichtige Rückvergütungen (Kick-Backs) lägen nur dann vor, wenn Teile der Ausgabeaufschläge oder Verwaltungsgebühren, die der Kunde über die Bank an die Gesellschaft zahlt, hinter seinem Rücken umsatzabhängig an die Bank zurückfließen, so dass die Bank ein für den Kunden nicht erkennbares besonderes Interesse daran hat, gerade diese Beteiligung zu empfehlen. Davon zu unterscheiden seien dagegen bloße Innenprovisionen (an die Bank gezahlte Beträge für Eigenkapitalbeschaffung, Platzierungsgarantie und Fremdkapitalbeschaffung), welche nicht die gleichen (hohen) Aufklärungspflichten begründen würden.
5. Fazit und Ausblick
In seiner letzten Entscheidung hat der BGH aus Sicht des Verfassers den Weg dahingehend gewiesen, dass wieder verstärkt eine Einzelfallbetrachtung zu erfolgen hat. Durch den Focus auf das versteckte Vorgehen der Bank, die zudem aufgrund der Vergütungsausgestaltung ein gesteigertes Eigeninteresse hat, tritt wieder die Verwerflichkeitsprüfung im Einzelfall in den Vordergrund.
In jedem Fall ist die Rechtsprechung im Fluss, wodurch zwar eine gewisse Rechtsunsicherheit, aber andererseits auch juristische Einzelfallkreativität des Rechtsanwaltes entsteht. Nachdem erkennbar ist, dass die Banken die Beratungspraxis an die Rechtsprechung zur Aufklärungspflicht für Rückvergütungen anpassen, wird aber die Bedeutung der Kick-Back- Rechtsprechung tendenziell eher zurückgehen.
Anderseits gibt es für die Rechtsvertretung des Anlegers ja auch nach wie vor weitere, interessante Ansatzpunkte für eine Falschberatung (Stichworte: Kursrisiko, Währungsrisiko, Liquiditätsrisiko, Insolvenzrisiko / Einlagensicherung). Die Rechtsvertretung und die Gericht werden prüfen und ausarbeiten müssen, ob tatsächlich die allgemein geforderte anlage – und anlegergerechte Beratung erfolgt ist. Hierbei ist das Augenmerk nicht nur auf das konkrete Finanzprodukt und dessen Vertriebsmodifikationen, sondern vor allem auch auf die Person des Anlegers und dessen individuellen Kenntnisse/Vorstellungen zu legen.
Es dürfte offenkundig sein, dass z.B. der „Unternehmer mit BWL- Studium“ ein gänzlich anderes Produkt bzw. eine gänzlich andere Beratung wie die „Großmutter vom Lande“ benötigt. Wir sind hierbei froh, dass wir sowohl Anleger als auch Finanzinstitute vertreten, da wir uns so in der Lage sehen, die im Einzelfall erforderliche, ganzheitliche Beurteilung/Betrachtung vorzunehmen zu können.
Michael Wagner, M.B.L.T.
Master of Business Law & Taxation und Rechtsanwalt