Rechtstipp im Arbeitsrecht
Verschärfte BAG-Rechtsprechung zu Widerrufsklauseln
In einer Vielzahl von Arbeitsverträgen sind flexible Vergütungsbestandsteile enthalten, beispielsweise wenn es um übertarifliche Zulagen oder die Überlassung eines Dienstwagens zur Privatnutzung geht. Die meisten Arbeitgeber wollen mit entsprechenden arbeitsvertraglichen Regelungen dabei eine feste Bindung an entsprechende Zusagen vermeiden und nehmen daher in die Arbeitsverträge Widerrufs- und Anrechnungsvorbehalte auf, um wiederkehrende Leistungen flexibel handhaben zu können. Solche vertraglichen Widerrufsvorbehalte, die seitens des Arbeitgebers für eine Vielzahl von Arbeitsverträgen vorformuliert sind, stellen Allgemeine Geschäftsbedingungen dar, die der gesetzlichen Inhaltskontrolle bezüglich Ihrer Wirksamkeit nach den §§ 305 ff BGB unterliegen. Die Wirksamkeit eines vertraglichen Widerrufrechts richtet sich dabei nach § 308 Nr. 4 i.V.m. § 307 Abs. 1, 2 BGB. Das Bundesarbeitsgericht hat aber insoweit bereits im letzten Jahr (Entscheidung des BAG vom 14.04.2010; Az: 9 AZR 113/09) die Anforderungen an die vertragliche Vereinbarung einer wirksamen Widerrufsklausel deutlich verschärft, konkret ging es im entschiedenen Fall dabei um den Widerruf der Überlassung eines Geschäftsfahrzeugs.
Nach der bisherigen Rechsprechung des BAG gilt zunächst weiterhin der Grundsatz, dass Gründe, die den Arbeitgeber zur einseitigen Veränderung seiner Leistungspflicht berechtigen sollen, in dem Vertrag selbst benannt werden müssen. Generell gilt dabei die Faustformel: Der sachliche Grund für den Widerruf der Leistung muss im Arbeitsvertrag hinreichend konkretisiert sein und der widerrufliche Teil darf 25 Prozent des Gesamtverdienstes des Arbeitnehmers nicht übersteigen. Bislang hat es das BAG dabei für ausreichend gehalten, dass bei der Bezeichnung der Gründe die Richtung erkennbar wird, aus der der Widerruf möglich sein soll. Dies können z.B. wirtschaftliche Gründe, die Leistung oder das Verhalten des Arbeitnehmers sein. Mit Urteil des BAG vom 14.04.2010; Az: 9 AZR 113/09; hat das Bundesarbeitsgericht diese Grundsätze nun selbst als nicht mehr ausreichend eingestuft.
In dem zugrunde liegenden Fall hatte das BAG über die Wirksamkeit eines Widerrufsvorbehalts hinsichtlich der Nutzung eines Dienstwagens zu entscheiden. Dem klagenden Arbeitnehmer war dabei von Anfang des Arbeitsverhältnisses an ein Dienstwagen auch zur Privatnutzung überlassen worden. In einer Nebenabrede zum betroffenen Arbeitsvertrag war dann bestimmt, dass sich der Arbeitgeber vorbehält, den Berechtigtenkreis aus wirtschaftlichen Gründen einzuschränken und die Geschäftsfahrzeugüberlassung auch deshalb zu widerrufen. Nach dem Vertrag wurden arbeitgeberseits Geschäftsfahrzeuge zur dienstlichen und privaten Nutzung zur Verfügung gestellt, „soweit unter Markt- und wirtschaftlichen Gesichtspunkten sinnvoll, weiteren Funktionen des außertariflichen und tariflichen Bereichs nach spezifischer Festlegung und Definition in der Verantwortung der Unternehmen.“ Eine vom Arbeitgeber durchgeführte Wirtschaftlichkeitsüberprüfung ergab im Jahr 2007, dass der Arbeitnehmer das Dienstfahrzeug an 55 Reisetagen mit insgesamt 29.540 gefahrenen Kilometern nutzte. Er widerrief daher die Überlassung mit der Begründung, die Wirtschaftlichkeitsüberprüfung habe ergeben, dass die Wirtschaftlichkeitskriterien nicht erfüllt seien. Zugleich verlangte der Arbeitgeber die Herausgabe des Fahrzeugs. Der klagende Arbeitnehmer machte daraufhin gerichtlich geltend, dass der Widerrufsvorbehalt nach § 308 Nr. 4 BGB unwirksam sei, weil der vertraglich festgelegte Widerrufsgrund nicht hinreichend konkret bestimmt sei.
Das Bundesarbeitsgericht gab dem klagendenden Arbeitnehmer Recht und hat damit die Anforderungen an die vertragliche Vereinbarung einer wirksamen Widerrufsklausel deutlich verschärft. Es hatte den streitgegenständlichen Widerrufsvorbehalt wegen Verstoßes gegen §§ 308 Nr. 4, 307 Abs. I BGB für unwirksam erklärt und die Sache an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Nach Ansicht des BAG hält das vereinbarte Widerrufsrecht einer Inhaltskontrolle nicht stand. Die Vereinbarung eines Widerrufsrechts ist nach § 308 Nr. 4 BGB nur dann zumutbar, wenn es für den Widerruf einen sachlichen Grund gibt und dieser sachliche Grund bereits in der Änderungsklausel beschrieben ist. Die Widerrufsregelung muss dabei nicht nur klar und verständlich sein (§ 307 Abs. 1 Satz 2 BGB). Sie darf den Vertragspartner als solchen auch nicht unangemessen benachteiligen. Sie muss daher selbst erkennen lassen, dass der Widerruf nicht ohne Grund erfolgen darf. Die Änderung muss angemessen und zumutbar sein. Der Maßstab der § 307 Abs. 1 und 2, § 308 Nr. 4 BGB muss im Text der Klausel zum Ausdruck kommen. Der Sachgrund muss in der Klausel in einer Weise konkretisiert werden, die für den Arbeitnehmer deutlich macht, was gegebenenfalls auf ihn zukommt. Er muss erkennen können, unter welchen Voraussetzungen er mit einem Widerruf rechnen muss.
Nach diesen Maßstäben ging dem Bundesarbeitsgericht im streitgegentsändlichen Fall der vereinbarte Widerrufsvorbehalt inhaltlich zu weit. Denn er berechtigt den Arbeitgeber schon dann zu einem Widerruf der Dienstwagennutzung, wenn die in der eingangs aufgezeigten Klausel festgelegten Voraussetzungen für die Überlassung eines Dienstfahrzeugs nicht mehr erfüllt sind. Nach Ansicht des BAG war das Widerrufsrecht hier aber nicht nur an die in der Klausel normierte fehlende Wirtschaftlichkeit gebunden. Denn nach der Fassung der streitgegenständlichen Klausel könne ein Widerruf schon auf jeden Grund gestützt werden, der Marktaspekte oder wirtschaftliche Gesichtspunkte betrifft und es aus Sicht des Arbeitgebers nicht mehr sinnvoll macht, den Dienstwagen zu überlassen. Doch nicht jeder Grund, der wirtschaftliche Aspekte betrifft, ist nach Ansicht des BAG ein anzuerkennender Sachgrund für den Entzug der Dienstwagennutzung und der damit verbundenen privaten Nutzungsmöglichkeit. Aus Sicht des Arbeitnehmers ist es insoweit unzumutbar, die Entziehung hinzunehmen, wenn der Dienstwagen für die auszuübende Tätigkeit gebraucht wird und die Kosten für einen Mietwagen nicht geringer sind.
Im Ergebnis wird es nach dieser Entscheidung zwar auch zukünftig einem Arbeitgeber möglich sein, Sonderleistungen unter den Vorbehalt eines Widerrufs zu stellen. Jedoch bedarf der Sachgrund entgegen der früheren Rechtsprechung zu §§ 308 Nr. 4, 307 BGB einer sehr genauen Bezeichnung in der Vereinbarung selbst. Arbeitgeber müssen daher darauf achten, sachliche Gründe, die zum Widerruf von Leistungen führen sollen, konkret im Arbeitsvertrag zu benennen. Insbesondere beim Widerruf aus "wirtschaftlichen Gründen" müssen die Umstände, die für den Arbeitgeber Ausdruck wirtschaftlichen Misserfolges sind, nachvollziehbar und so konkret wie möglich beschrieben werden.