Rechtstipp im Arbeitsrecht
Unterschied zwischen „Betriebsabteilung“ und „Betriebsteil“
Das Landesarbeitsgericht Köln hat mit Urteil vom 4. Mai 2023 zum Aktenzeichen 6 Sa 684/22 entschieden, dass sich eine „Betriebsabteilung“ im Sinne des § 15 Abs. 5 KSchG von dem „Betriebsteil“ im Sinne des § 4 BetrVG dadurch unterscheidet, dass die Betriebsabteilung einen eigenen Betriebszweck verfolgt.
Ohne Hinzutreten weiterer Tatsachen, gehören die Fotografinnen und Fotografen einer Tageszeitung nicht einer Betriebsabteilung „Fotografie“ an.
Die Unternehmerentscheidung, die bisherigen Fotoarbeiten für eine Tageszeitung an freie Mitarbeiter zu vergeben, bedarf dann einer besonderen Konkretisierung und einer besonders eingehenden Darstellung des unternehmerischen Konzepts, wenn diese Unternehmerentscheidung eine Kündigung begründen soll, die gegenüber einem Mitarbeiter ausgesprochen worden ist, der gerade rechtskräftig den Status als Arbeitnehmer hat feststellen lassen, obwohl er bisher von der Beklagten als freier Mitarbeiter geführt worden war.
Eine Betriebsabteilung im Sinne des § 15 Abs. 5 KSchG ist ein organisatorisch abgegrenzter Teil eines Betriebs, der eine personelle Einheit erfordert, dem eigene technische Betriebsmittel zur Verfügung stehen und der einen eigenen Betriebszweck verfolgt, der auch in einem bloßen Hilfszweck für den arbeitstechnischen Zweck des Gesamtbetriebs bestehen kann. Hier liegt der Unterschied zum bloßen Betriebsteil, der für die Feststellung seiner Existenz keinen eigenen Betriebszweck braucht. So wird die Bauabteilung eines Produktionsbetriebs als Betriebsabteilung betrachtet, die Kartonageabteilung einer Zigarettenfabrik oder die Färberei in einem Textilbetrieb. Gleiches gilt für eine Berufsbildungsstätte einer gewerkschaftlichen Berufsbildungseinrichtung. Besteht ein Betrieb aus mehreren Betriebsteilen, ist der Begriff der Betriebsabteilung in der Regel betriebs- und nicht betriebsteilbezogen zu verstehen. Befinden sich in mehreren Betriebsteilen organisatorisch abgrenzbare Arbeitseinheiten, die jeweils denselben Betriebszweck verfolgen, bilden diese auf mehrere Betriebsteile verteilten „Arbeitseinheiten“ gemeinsam eine Betriebsabteilung im Sinne des § 15 Abs. 5 KSchG. Dies gilt nach der Rechtsprechung des BAG jedenfalls dann, wenn die Betriebsteile räumlich nahe beieinanderliegen. Sind Betriebsabteilungen ihrerseits Betriebsteile im Sinne des § 4 S. 1 BetrVG, die als selbständige Betriebe gelten und deshalb auch einen eigenen Betriebsrat gewählt haben, ist bei Stilllegung einer solchen Abteilung § 15 Abs. 4 KSchG anwendbar und nicht § 15 Abs. 5 KSchG. Denn mit der Stilllegung einer solchen Betriebsabteilung endet das Mandat des Betriebsrats. Es ist dann nicht die Kontinuität eines weiterhin bestehenden Gremiums in Frage gestellt. Es gibt in einem solchen Fall keinen Grund, seine Funktionsfähigkeit zu erhalten.
Wird dieses Verständnis aus Literatur und Rechtsprechung zu Grunde gelegt, so bleiben die Bemühungen der Beklagten, in den Fotografinnen und Fotografen, in den Kameras und sonstigen optischen und elektronischen Geräten und in den Schreibtischen und Postkörben eine Betriebsabteilung zu erkennen, ohne Erfolg. Es fehlt an dem notwendigen eigenen Betriebszweck. Denn der von den Fotografinnen und Fotografen verfolgte Zweck ihrer Arbeit ist die Erstellung eines journalistischen Beitrages, der aktuell – jedenfalls online – in der Regel nicht ohne Bild auskommt.
Selbst wenn aber zu Gunsten der Beklagten unterstellt würde, der Kläger sei in einer solchen Betriebsabteilung beschäftigt worden, wäre er gemäß § 15 Abs. 5 Satz 2 KSchG zumindest als Assistent weiter zu beschäftigen gewesen und dies ggfls. im Wege einer Änderungskündigung. Unstreitig sind solche geringqualifizierten Stellen bei der Beklagten besetzbar. Auf Stellen in der Redaktion kommt es in diesem Zusammenhang nicht an. Dabei ist zu berücksichtigen, dass es bei der Pflicht zur Weiterbeschäftigung nach § 15 Abs. 5 Satz 2 KSchG vor allem um den Erhalt des Mitbestimmungsgremiums geht (KR/Kreft § 15 KSchG Rn. 154).
Die Kündigung ist auch mangels sozialer Rechtfertigung im Sinne des § 1 Abs. 2 KSchG gemäß § 1 Abs.1 KSchG unwirksam. Eine konkrete Unternehmerentscheidung, die zum Wegfall des Beschäftigungsbedürfnisses geführt hätte, ergibt sich nicht aus den Darlegungen der Beklagten. Die Kündigung ist unverhältnismäßig, denn eine Änderungskündigung käme als milderes Mittel in Betracht
Eine konkrete Unternehmerentscheidung ergibt sich nicht aus den Darlegungen der Beklagten. Das gilt schon für die Existenz der Entscheidung als solcher, als auch für die notwendige Kausalität der Unternehmerentscheidung für den Wegfall des Beschäftigungsbedürfnisses.
Aus den Darlegungen der Beklagten, ergibt sich eine Unternehmerentscheidung „vom 15.11.2021“, die zum Wegfall des Beschäftigungsbedürfnisses für den Kläger führen könnte, nicht. Nach dem schriftsätzlichen Vortrag soll „die Beklagte“ die besagte Entscheidung gefällt haben und der Zeuge dieser Unternehmerentscheidung soll Herr Hü gewesen sein. Dem Betriebsrat gegenüber teilt der Personalleiter Herr S in „Wir-Form“ mit, „wir haben uns entschieden …“. Aus alledem geht nicht hervor, welcher der beiden Geschäftsführer, oder beide, oder einer der beiden Geschäftsführer mit jemand anderem oder Herr S die Entscheidung gefällt haben soll und auf der Grundlage welcher Kostenanalyase. Der von der Beklagten als Zeuge für die Unternehmerentscheidung bezeichnete Herr Hü , bekundete auf Nachfrage der Berufungskammer in der mündlichen Verhandlung (Protokoll Bl. 510), dass er zum Zeitpunkt der streitgegenständlichen Unternehmerentscheidung noch gar nicht für das Unternehmen tätig gewesen sei. Der einzige von der Beklagten benannte Zeuge für die behauptete Unternehmerentscheidung ist also untauglich. Dass die Rechtsprechung Fälle anerkennt, in denen von den „greifbaren Formen“ einer Unternehmerentscheidung oder gar von der Umsetzung der Unternehmerentscheidung auf die Entscheidung selber rückgeschlossen werden kann, hilft hier nicht weiter, denn die Darlegungen der Beklagten hierzu stellen einen Zirkel dar: Der Beklagten war von der Arbeitsgerichtsbarkeit verdeutlicht worden, dass ihr freier Mitarbeiter, der Kläger, trotz der so lautenden Vertragsurkunde kein freier Mitarbeiter ist, sondern ein Arbeitnehmer; nun will sie eine Unternehmerentscheidung getroffen haben, alle Fotografinnen und Fotografen nur noch als freie Mitarbeiterinnen und freie Mitarbeiter beschäftigen zu wollen; zum Beleg der Umsetzung dieser Entscheidung legt sie Verträge vor, die die Vertragspartner als freie Mitarbeiter bezeichnet.
Jedenfalls fehlt es aber an dem für die soziale Rechtfertigung notwendigen kausalen Wegfall des Beschäftigungsbedürfnisses. Trotz des Wortreichtums ihrer Berufungserwiderung ist es der Beklagten nicht gelungen, die von ihr behauptete Unternehmerentscheidung so darzustellen, dass sich aus ihr der Wegfall des Beschäftigungsbedürfnisses für den Kläger ergeben könnte. Das liegt auch und vor allem daran, dass die Beklagte, trotz ihrer Freiheit in ihren Unternehmerentscheidungen, nach dem bisherigen Verlauf des Arbeitsverhältnisses und nach der Prozessgeschichte gemäß § 138 Abs. 2 und Absatz 1 ZPO („vollständig“) eine besondere Darlegungslast trifft: Sie hat vorzutragen, wie das zukünftige Konzept der fotografischen Ausgestaltung der Zeitungsartikel aussehen soll, ohne dass es wieder zu Scheinselbständigkeit kommen kann. Diese Darlegungslast ist deshalb hinsichtlich des letztgenannten Punktes erhöht, weil es, gerade beim Kläger, in der Vergangenheit zu solchen Scheinselbständigkeiten gekommen ist. Ohne einen solchen Vortrag ist das Gericht nicht in der Lage, die behauptete Unternehmerentscheidung und die ihr folgende Kündigungsentscheidung auf Sachwidrigkeit und Willkür zu überprüfen. Der Kläger ist ein ehemals angeblich freier Fotograf, der damals einen schriftlichen Vertrag über „freie Mitarbeit“ in den Händen hielt; nach erhobener Statusklage ist er nunmehr aufgrund der gerichtlich festgestellten tatsächlichen Vertragsdurchführung als Arbeitnehmer anzusehen; nach diesem Streit über zwei Instanzen und nach Rechtskraft der Berufungsentscheidung macht die Arbeitgeberin jetzt eine Unternehmerentscheidung geltend, nämlich die, zukünftig nur noch freie Fotografen beschäftigt zu wollen, das solle jetzt aber richtig geschehen und nur mit echten freien und nicht nur mit scheinfreien Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Dass die zukünftig einzusetzenden Fotografen und Fotografinnen in diesem Sinne echte Freie sein sollen, ergebe sich – so die Beklagte – aus den nunmehr vorgelegten Vertragsurkunden. Hier schließt sich der Kreis, dessen Zeichnung mit einer Vertragsurkunde, nämlich der des Klägers, begonnen hat, deren Bezeichnung – rechtskräftig festgestellt – unzutreffend war.
Die Kündigung ist des Weiteren unverhältnismäßig, denn eine Änderungskündigung käme als milderes Mittel in Betracht. Im Rahmen der sozialen Rechtfertigung nach § 1 Abs. 2 KSchG ist auch diese Verhältnismäßigkeit der Kündigung zu prüfen. Hier gilt das zu § 15 Abs. 5 Satz 2 KSchG bereits Gesagte entsprechend. Als mildere Maßnahme käme eine Änderungskündigung – zumindest – auf eine Assistentenstelle in Betracht.