Rechtstipp im Arbeitsrecht
Reisen in Zeiten von Corona - und wie steht es mit Ihrem Gehalt in der Quarantäne?
Der Herbsturlaub kann derzeit teuer werden. Denn bei einer Rückkehr aus einem Corona-Risikogebiet steht oftmals das Gehalt und ggf. sogar der Arbeitsplatz in Frage.
Vielfach besteht z.B. bei Arbeitgebern und Arbeitnehmern aktuell Unklarheit über eine Verpflichtung zur Quarantäne für Reiserückkehrer und wer die Kosten hierfür trägt.
Nachfolgend möchten wir Ihnen einen kurzen Überblick über die aktuelle arbeitsrechtliche Situation geben:
1. Was gilt für private Urlaubsreisen ins Ausland?
Eine Urlaubsreise ins Ausland ist seit dem 15. Juni grds. wieder möglich. Aufgrund der aktuell stark steigenden Infektionszahlen gibt es jedoch zahlreiche neue Regelungen für die Rückkehr aus dem Ausland. Die Rechtsfolgen hängen insbesondere von der Frage ab, ob und wann das besuchte Reiseland zum Risikogebiet erklärt wurde.
1.2 Was ist ein Risikogebiet?
Die maßgebliche Einstufung als Risikogebiet erfolgt durch die zuständigen Bundesministerien und wird durch das Robert Koch-Institut auf deren Homepage tagesaktuell veröffentlicht:
https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Risikogebiete_neu.html
Die dortige Einstufung als Risikogebiet ist bindend. Arbeitgeber können nicht selber Risikogebiete für Ihr Unternehmen festlegen und arbeitsrechtliche Maßnahmen aus dieser individuellen Festlegung ableiten.
1.3 Was muss ich tun, wenn ich aus einem Risikogebiet nach Deutschland einreisen will?
Personen, die sich innerhalb von 14 Tagen vor der Einreise nach Deutschland in einem Risikogebiet aufgehalten haben, sind grds. verpflichtet, das für sie zuständige Gesundheitsamt zu kontaktieren und dieses über ihren Aufenthalt in einem Risikogebiet zu informieren. Das zuständige Gesundheitsamt lässt sich über die Postleitzahlensuche auf der Homepage des RKI unproblematisch finden: https://tools.rki.de/PLZTool/ [Gleichermaßen ist das zuständige Gesundheitsamt über Symptome einer Corona Erkrankung zu informieren, die innerhalb von 14 Tagen nach Einreise auftreten].
Zudem besteht die Verpflichtung, sich für die Dauer von 14 Tagen seit der Einreise in Quarantäne (häusliche oder andere geeignete Unterkunft) zu begeben. Während der Quarantäne ist es grds. nicht gestattet, das Haus zu verlassen oder Besuch zu empfangen von Personen, die nicht dem eigenen Haushalt angehören.
Von der Verpflichtung zur Quarantäne sind nur Personen ausgenommen, die keine Symptome aufweisen und über einen negativen Corona Test verfügen, der in einem Mitgliedsstaat der EU oder einem sonst durch das Robert Koch-Institut veröffentlichten Staat durchgeführt wurde und das Testergebnis höchstens 48 Stunden vor Einreise festgestellt wurde.
1.4 Was passiert, wenn ich mich nicht an die Einreisebestimmungen halte?
Eine Zuwiderhandlung gegen die Einreisebestimmungen stellt zunächst einmal eine Ordnungswidrigkeit dar, die mit einer Geldbuße von bis zu 25.000,-- € geahndet wird, § 73 Abs. 1a Nr. 24 IfSG.
Höchstrichterliche Rechtsprechung gibt es in solchen Fällen allerdings noch nicht, so dass abzuwarten bleibt, wie die Arbeitsgerichte Verstöße gegen die Einreisebestimmungen werten werden. Gegenstand der gerichtlichen Überprüfung wird sicherlich die Frage sein, inwiefern sich ein Verhalten in der Freizeit auf das Arbeitsverhältnis auswirkt.
1.5 Bekomme ich Gehalt, wenn ich nach Rückkehr aus einem Corona-Risikogebiet in Quarantäne gehen muss?
Hier ist zu unterscheiden:
Hat das RKI das Reiseland erst während der Reise zum Risikogebiet erklärt, besteht für die Zeit, die ein Arbeitnehmer in Quarantäne verbringen muss, ein gesetzlicher Anspruch auf Lohnfortzahlung nach § 616 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch) gegen seinen Arbeitgeber.
Ist § 616 BGB im Arbeitsvertrag, durch Betriebsvereinbarung oder durch Tarifvertrag ausgeschlossen (was möglich ist), besteht grds. bei einer Arbeitsverhinderung aufgrund einer Corona bedingten Betriebsschließung oder Quarantäne der Anspruch auf Entschädigung nach § 56 IfSG (Infektionsschutzgesetz) in Höhe des Verdienstausfalls für die Dauer von sechs Wochen. Es ist jedoch noch nicht abschließend geklärt, ob dies auch für den Fall einer Quarantäne nach Rückkehr aus einem Risikogebiet gelten soll.
Soweit dies der Fall ist, ist die Entschädigung nach § 56 IfSG zunächst vom Arbeitgeber auszuzahlen – er tritt sozusagen in Vorleistung. Der Arbeitgeber selber kann innerhalb von 12 Monaten einen Antrag auf Erstattung/Entschädigung nach § 56 Abs. 1 IfSG bei der zuständigen Behörde stellen. In Nordrhein-Westfalen sind dies z.B. die Landschaftsverbände Rheinland (LVR) und Westfalen-Lippe (LWL).
Hat das RKI das Reiseland bereits vor Reiseantritt zum Risikoland erklärt und tritt der Arbeitnehmer gleichwohl den Urlaub an, entfällt in diesem Fall der Anspruch auf Lohnfortzahlung während der Zeit der 14tätigen Quarantäne nach Rückkehr.
1.6 Bekomme ich Gehalt, wenn ich nach der Rückkehr aus einem Corona-Risikogebiet an Corona erkranke?
Haben sich Arbeitnehmer mit Corona infiziert, besteht grds. ein Anspruch auf Entgeltfortzahlung für die Dauer von sechs Wochen, § 3 Entgeltfortzahlungsgesetz (EFZG).
Der Anspruch nach § 3 EFZG kann jedoch ausgeschlossen sein, wenn der Arbeitnehmer die Erkrankung selbst verschuldet hat. Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung liegt ein Verschulden vor, wenn der Arbeitnehmer in erheblichem Maße gegen die von einem verständigen Menschen zu erwartende Verhaltensweise verstoßen hat (vgl. BAG Urt. v. 18.03.2015, Az.: 10 ARZ 99/14). Ob diese Grundsätze auch für eine Erkrankung an Corona nach Urlaub in einem Risikogebiet gelten, ist höchstrichterlich noch nicht geklärt. Es ist aber davon auszugehen, dass der Verschuldensmaßstab erfüllt ist, wenn ein Arbeitnehmer aus rein touristischen Gründen wissentlich und willentlich in ein Corona-Risikogebiet reist. Es spricht also viel dafür, dass in diesem Fall vom Arbeitgeber keine Entgeltfortzahlung geleistet werden muss.
1.7 Was gilt, wenn ich aufgrund einer Reisebeschränkung nach meinem Urlaub nicht wieder nach Deutschland einreisen kann?
Wenn der Arbeitnehmer nach dem Ende des Urlaubs aufgrund einer dann bestehenden Reisebeschränkung nicht mehr einreisen kann und gar nicht oder verspätet aus dem Urlaub zurückkehrt, besteht keine Vergütungspflicht des Arbeitgebers.
Der Vergütungsanspruch entfällt, da der Arbeitnehmer das sog. Wegerisiko trägt.
2. Was gilt für private Urlaubsreisen innerhalb Deutschlands?
Für Reisen innerhalb Deutschlands sind die jeweils geltenden Bestimmungen der Bundesländer zu beachten (z.B. Beherbergungsverbote). Für die Rückreise gibt es (noch) keine Bestimmungen, so dass hierbei aktuell keine Auswirkungen auf das Arbeitsverhältnis bestehen.
3. Was gilt bei Dienstreisen?
Der Arbeitgeber hat stets zwischen der Notwendigkeit der Reise und dem Gesundheitsschutz des Arbeitnehmers abzuwägen. Im Falle von Dienstreisen in Risikogebiete dürften nur wirklich zwingend erforderliche Dienstreisen geboten sein. Entspricht die Anweisung einer Dienstreise in ein Risikogebiet danach nicht dem billigen Ermessen nach § 106 GewO – und dies dürfte regelmäßig der Fall sein – muss der Arbeitnehmer dieser Anweisung des Arbeitgebers nicht Folge leisten.
Tritt der Arbeitnehmer die Reise gleichwohl an, besteht in jedem Fall der Vergütungsanspruch während der 14tägigen Quarantäne nach Rückkehr auch dann fort, wenn das Reiseland bereits vor Antritt der Dienstreise als Risikogebiet eingestuft war. Den Arbeitnehmer trifft in diesem Fall kein Verschulden.
4. Darf der Arbeitgeber nach meinem Urlaubsziel fragen?
Grds. muss der Arbeitnehmer seinem Arbeitgeber keine Auskunft darüber leisten, wohin die geplante Urlaubsreise gehen soll. Während der Corona-Pandemie gilt jedoch etwas anderes: Der Arbeitgeber darf aufgrund seiner Fürsorgepflicht den anderen Arbeitnehmern und Geschäftspartnern gegenüber die Frage an den Arbeitnehmer stellen, an welchen Ort er in den Urlaub fährt. Der Arbeitnehmer muss diese Frage wahrheitsgemäß beantworten, andernfalls kann der Arbeitgeber auf eine Lüge arbeitsrechtliche Konsequenzen (z.B. eine Abmahnung) stützen.
5. Darf mein Arbeitgeber meinen geplanten Urlaub in ein Risikogebiet verbieten?
Nein, der Arbeitgeber darf dem Arbeitnehmer den geplanten Urlaub nicht verbieten, selbst wenn dieser eine Reise in ein Risikogebiet plant. Der Arbeitnehmer muss jedoch damit rechnen, dass er während der notwendigen 14tätgigen Quarantäne nach Rückkehr aus dem Risikogebiet und für die Dauer einer etwaigen Erkrankung mit Corona kein Gehalt beziehen wird (s.o.).
Haben Sie weitere Fragen zum Thema Reisen und Corona oder können wir Ihnen in einem konkreten Fall weiterhelfen? Wir freuen uns auf Ihren Anruf unter 02241 / 958693!
RW Rechtsanwälte | Fachanwälte
www.kanzlei-rw.de
(Stand: 21.10.2020)