Rechtstipp im Arbeitsrecht
EuGH kippt deutsche Kündigungsfristen in § 622 BGB
Im Januar 2010 wurde in der Presse eine Entscheidung des EuGH zu § 622 Abs. 2 S. 2 BGB veröffentlicht und diskutiert. § 622 II 2 BGB wurde in der Entscheidung des EuGH für europarechtswidrig angesehen und die Anwendung der Vorschrift für gesetzeswidrig erklärt.
Das Bürgerliche Gesetzbuch regelt in § 622 BGB Mindestkündigungsfristen. Danach werden die Kündigungsfristen für den Arbeitgeber nach § 622 BGB umso länger, je länger das Arbeitsverhältnis besteht. Für jüngere Mitarbeiter sieht das Gesetz allerdings eine Sonderregelung vor. § 622 II 2 BGB enthält nämlich eine Regelung, die die Länge der Kündigungsfrist vom Alter und Betriebszugehörigkeit des Arbeitnehmers abhängig macht. Zeiten der Betriebszugehörigkeit werden danach erst ab dem 25. Lebensjahr des Arbeitnehmers berücksichtigt. Dies hat zur Folge, dass für jüngere Mitarbeiter kürzere Kündigungsfristen gelten, als für ältere.
Eine sachliche Begründung der aus dem Jahr 1926 stammenden Vorschrift gibt es (heute) nicht mehr.
Der EuGH sieht in der Vorschrift eine Verletzung der Europäischen Grundrechtscharta (Gleichbehandlungsgrundsatz) sowie der (von der Bundesregierung bislang unvollständig umgesetzten) Rahmenrichtlinie 2000/78/EG, die unter Art. 6 Maßgaben zur bzw. gegen die Altersdiskriminierung enthält. Zuletzt bezieht sich der EuGH auch auf ungeschriebene, allgemeine europäische Grundrechte zur Altersdiskriminierung bzw. Gleichbehandlung.
Es bleibt nun zu hoffen, dass sich der Gesetzgeber baldmöglichst "auf den Weg" macht, um die Rahmenrichtlinie umzusetzen, damit für die Praxis Rechtssicherheit eintritt.
Jedenfalls müssen die deutschen Gerichte bei der Berechnung der Kündigungsfrist einstweilen die Mindestaltersregelung des § 622 II 2 BGB unangewendet lassen, bis eine Korrektur durch den Gesetzgeber erfolgt ist.