Rechtstipp im Arbeitsrecht
Der gerichtliche Vergleich vor dem Arbeitsgericht
Ein Vergleich bietet im Rahmen einer Kündigungsschutzklage für den Arbeitnehmer große Vorteile, weil oft kein gesetzlicher Anspruch auf eine Abfindung besteht und der Arbeitnehmer bei der Abweisung der Kündigungsschutzklage durch das Arbeitsgericht leer ausgeht, nämlich dann, wenn die Kündigung des Arbeitgebers rechtmäßig war.
Für den Arbeitgeber ist ein Vergleich mit dem Arbeitnehmer im Rahmen der Kündigungsschutzklage vor dem Arbeitsgericht ebenfalls häufig sinnvoll, weil bei einem langwierigen Kündigungsschutzverfahren der Arbeitgeber Gefahr läuft erheblichen Lohnforderungen des gekündigten Arbeitnehmers ausgesetzt zu sein, nämlich dann, wenn die Kündigung rechtswidrig ist und der Arbeitgeber den Arbeitnehmer zu Unrecht gekündigt hat; in diesem Fall hat der Arbeitnehmer zwar während der Kündigungsschutzklage nicht gearbeitet, er behält aber auch ohne Arbeit seinen vollen Anspruch auf den Arbeitslohn, den der Arbeitnehmer nun nachzahlen muss (sogenannter Annahmeverzugslohn).
Ein großer Vorteil eines Vergleiches sowohl für Arbeitgeber als auch für Arbeitnehmer ist, einmal, dass das persönliche Verhältnis nach dem Abschluss eines Vergleichs oftmals besser ist, als nach einer streitigen Entscheidung des Arbeitsgericht durch ein Urteil – zumal ist ein Vergleich meist viel früher im Gütetermin geschlossen wird, als ein viel späteres Urteil, dass erst nach dem Kammertermin ergeht.
Zudem fallen bei Abschluss eines Vergleichs keine Gerichtskosten an und der Rechtsstreit ist sofort beendet.
Zudem haben Arbeitnehmer mit dem protokollierten Vergleich einen Vollstreckungstitel in der Hand, mit dem unmittelbar Zwangsvollstreckungsmaßnahmen eingeleitet werden können
Welchen Inhalt hat ein gerichtlicher Vergleich?
Ein Beendigungsvergleich enthält regelmäßig mindestens die folgenden zwei Punkte:
• Beendigungszeitpunkt: Es besteht Einigkeit, dass das Arbeitsverhältnis des Klägers aufgrund ordentlicher Kündigung des Beklagten vom DATUM mit Ablauf des DATUM enden wird / geendet hat.
• Erledigungsklausel: Damit ist der vorliegende Rechtsstreit erledigt.
Folgende weitere Punkte kann der Vergleich enthalten:
• Beendigungsgrund: Das Arbeitsverhältnis der Parteien endet ordentlich aus betriebsbedingten Gründen.
• Ordnungsgemäße Abwicklung: Das Arbeitsverhältnis wird bis zum Beschäftigungsende ordnungsgemäß abgewickelt.
• Abfindung: Der Kläger erhält eine Abfindung von ZAHL € brutto, die zum DATUM fällig ist.
• Arbeitszeugnis: Der Arbeitgeber erteilt dem Arbeitnehmer zum Beschäftigungsende ein wohlwollendes qualifiziertes Arbeitszeugnis, dass hinsichtlich Leistung und Verhalten der Note „sehr gut“ entsprechend wird und mit Dankes-, Bedauerns- und Wünsche-Klausel enden wird.
• Herausgabe Arbeitsmittel (wie Dienstwagen, Laptop, Diensthandy, Dienstkleidung) an den Arbeitgeber / Herausgabe Privatsachen des Arbeitnehmers
• (unwiderrufliche) Freistellung des Arbeitnehmers bis zum Beschäftigungsende (unter Anrechnung des (Rest-)Urlaubsanspruchs) – das bedeutet, dass der Arbeitnehmer bis zum Beschäftigungsende seinen Lohn erhält, aber nicht mehr arbeiten braucht, auch wenn er keinen Urlaubsanspruch für so viele freie Tage hat
• nachvertragliches Wettbewerbsverbot oder eine Verschwiegenheitspflicht
• Ausstellung der Arbeitsbescheinigung nach § 312 Abs. 1 SGB III – zum Erhalt des Arbeitslosengeldes
• vollständige Erledigungsklausel: Damit sind alle beiderseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und seiner Beendigung, gleichgültig welchen Rechtsgrundes, seien sie bekannt oder unbekannt, erledigt.
Beendigung des Arbeitsverhältnisses
Im Vergleich vor dem Arbeitsgericht wird regelmäßig zwischen dem Arbeitgeber und dem Arbeitnehmer vereinbart, dass das Arbeitsverhältnis durch die vom Arbeitgeber ausgesprochene Kündigung beendet worden ist, oder beendet wird – dabei muss nicht zwingend das Beendigungsdatum aus der Kündigung entnommen werden, es kann auch vereinbart werden, dass das Arbeitsverhältnis schon früher endet oder später endet.
Hinweise Arbeitnehmer:
Soweit der Arbeitnehmer noch keine Anschlussbeschäftigung hat und auf das Arbeitslosengeld angewiesen ist, ist für den Arbeitnehmer zwingend darauf zu achten, dass die Kündigungsfrist des § 622 BGB korrekt berechnet wird, da der Arbeitnehmer sonst Gefahr laufen kann, dass die Agentur für Arbeit ein Ruhen des Anspruchs auf das Arbeitslosengeld nach § 143a SGB III verhängt, das bedeutet, dass der Arbeitnehmer kein Arbeitslosengeld während dieser Zeit erhält.
Für den Arbeitnehmer kann ein gerichtlicher Vergleich mit dem Arbeitgeber vor dem Arbeitsgericht auch weiterhin gefährlich sein, weil gegen ihn eine Sperrzeit nach § 144 Abs. 1 Nr. 1 SGB III verhängt werden kann, wenn er selbstständig das Arbeitsverhältnis gelöst hat – der Arbeitnehmer also dazu beigetragen hat, dass er nun arbeitslos ist und Arbeitslosengeld benötigt.
Eine Sperrzeit wird auch verhängt, wenn der Arbeitgeber eine verhaltensbedingte Kündigung des Arbeitnehmers ausgesprochen hat, da der Arbeitnehmer mit seinem (negativen) Verhalten dazu beigetragen hat, dass er nun arbeitslos ist und deshalb auf Arbeitslosengeld angewiesen ist.
Eine Sperrzeit wird aber nicht verhängt, wenn das Arbeitsverhältnis aus betriebsbedingten oder personenbedingten Gründen endet – deshalb ist es für den Arbeitnehmer wichtig, dass in den Vergleich aufgenommen wird, dass das Arbeitsverhältnis aus betriebsbedingten Gründen endet.
Hinweise Arbeitgeber:
Auch für den Arbeitgeber kann die Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu den gesetzlichen Fristen aufgrund der Erstattungspflicht nach § 147a SGB III Bedeutung haben.
Abfindung für den Arbeitnehmer
Im Vergleich wird für den Arbeitnehmer sehr oft eine Abfindung für den Arbeitnehmer vereinbart.
Ein auf das Kündigungsschutzrecht spezialisierter Rechtsanwalt wird hier gewinnbringend für den Arbeitnehmer im Rahmen der Vergleichsverhandlungen die Höhe der Abfindung ausloten.
Als Faustformel wird ein halbes Bruttomonatsgehalt pro Beschäftigungsjahr des Arbeitnehmers gehandelt, wobei es im konkreten Einzelfall dazu kommen kann, dass weniger gezahlt wird, aber auch mehr gezahlt wird – je nach Erfolgsaussichten der Klage und der wirtschaftlichen Lage des Arbeitgebers und des Alters des Arbeitnehmers.
Wenn der Arbeitnehmer bereits einen neuen Arbeitgeber gefunden hat, verringert sich das Risiko des Arbeitgebers im Rahmen der Kündigungsschutzklage, weil er zwar Gefahr läuft, dass er dem Arbeitnehmer Annahmeverzugslohn zahlen müsste, wenn die Kündigung durch das Arbeitsgericht als rechtswidrig festgestellt wird, jedoch muss sich der Arbeitnehmer den währenddessen den erlangten Arbeitslohn des neuen Arbeitgebers anrechnen lassen.
Beispiele:
Ein Arbeitnehmer, der beim alten Arbeitgeber 2.500 € monatlich verdiente und beim neuen Arbeitgeber 2.300 € erhält, hat nur Anspruch auf 200 € Annahmeverzugslohn gegen den alten Arbeitgeber, wenn die Kündigung rechtswidrig war.
Ein Arbeitnehmer, der beim alten Arbeitgeber 2.500 € monatlich verdiente und beim neuen Arbeitgeber 2.800 € erhält, hat gar keinen Anspruch Annahmeverzugslohn gegen den alten Arbeitgeber, wenn die Kündigung rechtswidrig war.
Aus der Sicht eines Arbeitnehmers sollte der Arbeitgeber deswegen möglichst gar nicht oder spät von einer neuen Arbeitsstelle erfahren – der Arbeitgeber hat gegen den Arbeitnehmer aber einen Anspruch auf Auskunft, ob er ein neues Arbeitsverhältnis mit einem neuen Arbeitgeber eingegangen ist.
Hinweis Arbeitnehmer:
Für den Arbeitnehmer kann es bei einer außerordentlichen Kündigung (fristlosen Kündigung) wegen einem Fehlverhalten auch sinnvoll sein, einen Vergleich ganz ohne eine Abfindung mit dem Arbeitgeber zu schließen, bei dem die fristlose Kündigung in eine fristgerechte (ordentliche Kündigung) umgewandelt wird, da dies für den Arbeitnehmer zur Folge hat, dass er keine Sperrzeit durch die Agentur für Arbeit erhält und nach der Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitgeber nun nahtlos Arbeitslosengeld bekommen kann.
Arbeitszeugnis
Der Arbeitgeber ist gesetzlich aus § 630 BGB, § 109 GewO, § 16 BBiG zu einem wohlwollenden Arbeitszeugnis an den Arbeitnehmer verpflichtet.
Auf Wunsch des Arbeitnehmers muss der Arbeitgeber nicht nur ein einfaches Arbeitszeugnis erteilen, das in der Regel nur Art und Dauer der Beschäftigung wiedergibt, sondern auch ein qualifiziertes Arbeitszeugnis zu erteilen.
Das qualifizierte Arbeitszeugnis soll auch die Führung und Leistung während der gesamten Dauer des Arbeitsverhältnisses charakterisieren.
Wenn der Arbeitnehmer Bedenken an einer positiven Bewertung aufgrund des zerrütteten Verhältnisses durch den Arbeitgeber hat, kann die gewünschte Formulierung in den Vergleich mit aufgenommen werden.
Als günstige Formulierungen kann zum Beispiel begehrt werden, dass dem Arbeitnehmer eine sehr gute Führungs- und Leistungsbeurteilung erteilt wird – also die Note 1 durch den Arbeitgeber bescheinigt bekommt.
Je nachdem wie lang die Kündigungsfrist des Arbeitnehmers ist, empfiehlt es sich auch für den Arbeitnehmer, wenn zunächst ein Arbeitszwischenzeugnis vereinbart wird, in dem die Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht enthalten ist, da dies dem Arbeitnehmer die Situation verschafft, sich aus einem – für den neuen Arbeitgeber – ungekündigten Arbeitsverhältnis heraus bewerben zu können.
Der Arbeitnehmer hat auch keinen gesetzlichen Anspruch gegen den Arbeitgeber, dass der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer seinen Dank, das Bedauern für das Ausscheiden des Arbeitnehmers und gute Wünsche für die (persönliche und berufliche) Zukunft ausspricht – aber auch diese Formulierung lässt sich im Vergleich regeln und dann muss der Arbeitgeber diese auch in das Arbeitsendzeugnis aufnehmen.
Hinweis:
Viele Rechtsschutzversicherung erteilen (noch) keinen Kostenschutz für die Regelung eines Arbeitszwischenzeugnisses und/oder Arbeitsendzeugnisses im Vergleich vor dem Arbeitsgericht, weil noch kein „Versicherungsfall“ eingetreten sei, da der Anspruch erst dann entsteht, wenn der Arbeitnehmer von seinem Arbeitgeber ein solches Arbeitszeugnis verlangt hat und der Arbeitgeber dieses dennoch nicht erteilt oder weil der Anspruch auf ein Arbeitszeugnis erst mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses entsteht; ein auf das Kündigungsschutzrecht spezialisierter Rechtsanwalt wird dem Arbeitnehmer dabei helfen, die Voraussetzungen zu schaffen, dass die Rechtsschutzversicherung die Kosten übernehmen muss und dabei argumentieren, dass bereits der Ausspruch der Kündigung einen Anspruch auf ein Arbeitszeugnis begründet.