Rechtstipp im Arbeitsrecht
Das Arbeitszeitgesetz und die Gastronomie
Die tägliche Arbeitszeit der Arbeitnehmer ist ein Thema, mit dem Arbeitgeber sich spätestens seit Inkrafttreten des Mindestlohngesetzes (MiLoG) intensiver befassen müssen als je zuvor. Aber auch Arbeitnehmer sollten zumindest mit den Grundzügen des Arbeitszeitrechts vertraut sein. Gerade in der Gastronomie ist die Überraschung bei Arbeitgebern und Arbeitnehmern nämlich oft groß, wenn sie mit den Regelungen des Arbeitszeitgesetzes (ArbZG) konfrontiert werden. Der folgende Beitrag skizziert grob einige wesentliche Grundlagen des Arbeitszeitrechts.
Arbeitszeiten werden addiert
Gleich in § 2 Abs. 1 Satz 1 ArbZG heißt es kurz und knapp:
„Arbeitszeiten bei verschiedenen Arbeitgebern sind zusammenzurechnen.“
Die Konsequenz: Arbeitnehmer, die einer Vollzeitbeschäftigung nachgehen und nur ab und an nach Feierabend etwas dazuverdienen wollen, bringen die bei ihrem Hauptarbeitgeber geleisteten Stunden mit in den Betrieb. Dort darf dann nur noch so viel gearbeitet werden, wie das Arbeitszeitgesetz höchstens zulässt.
Höchstens acht Stunden pro Werktag
Die Höchstarbeitszeit der Arbeitnehmer ist sodann in § 3 ArbZG geregelt. Sie beträgt acht Stunden pro Werktag, wobei der Samstag als Werktag gilt. Summa summarum können Arbeitnehmer also maximal 48 Stunden pro Woche arbeiten. Für die meisten Arbeitnehmer mit Vollzeitbeschäftigung ergibt das nur noch einen kleinen zeitlichen Spielraum für Nebentätigkeiten. Vor allem Köche und Servicekräfte überschreiten diese Höchst-Arbeitszeit regelmäßig. Eine Ordnungswidrigkeit liegt deshalb aber noch nicht gleich vor.
Ausnahmsweise sind auch zehn Stunden pro Werktag zulässig
Der Gesetzgeber räumt nämlich die Möglichkeit ein, die Arbeitszeit auf bis zu zehn Stunden pro Werktag zu verlängern, so dass sich bei sechs Werktagen pro Woche immerhin 60 Stunden ergeben, an denen Arbeitnehmer zur Arbeitsleistung herangezogen werden können. Für unseren Fall bedeutet das neben der Vollzeitbeschäftigung mit z.B. 40 Stunden pro Woche immerhin noch ganze 20 Stunden, die für eine Nebentätigkeit zur Verfügung stehen. Doch das Ausschöpfen dieser erweiterten Höchstgrenze darf nicht zur Gewohnheit werden. Die verlängerten Arbeitszeiten müssen innerhalb von sechs Kalendermonaten oder 24 Wochen wieder auf einen Durchschnitt von acht Stunden werktäglich zurückgeführt werden! Andernfalls liegt tatsächlich ein Verstoß vor, der als Ordnungswidrigkeit geahndet und mit einer Geldbuße für den Arbeitgeber belegt werden kann.
Arbeitszeiterfassung
Grundsätzlich ist der Arbeitgeber zur Aufzeichnung der täglichen Arbeitszeiten seiner Arbeitnehmer verpflichtet. Das bedeutet zusätzlichen Kontroll- und Dokumentationsaufwand, über den bereits viel geschimpft wurde. Manche Arbeitgeber greifen deshalb zum Mittel der Delegation. Sie übertragen die Verpflichtung zur Aufzeichnung der täglichen Arbeitszeiten auf die Arbeitnehmer. Das ist zulässig, auch wenn es nun dem Arbeitnehmer lästig erscheinen mag. Das Anfertigen von Aufzeichnungen über die täglich geleistete Arbeit ist aber auch nützlich. Etwa in einem Arbeitsrechtsstreit. Macht nämlich der Arbeitnehmer rückständige Vergütung für von ihm geleistete Überstunden geltend, ist er für diese darlegungs- und beweisbelastet. Die Beweisführung fällt wesentlich leichter, wenn der Arbeitnehmer ordentliche Aufzeichnungen angefertigt hat; im Idealfall hat aber natürlich der Arbeitgeber schon während des laufenden Arbeitsverhältnisses stets ordnungsgemäß abgerechnet und ausbezahlt.
Die neue Mindestlohndokumentationspflichtenverordnung (MiLoDokVO)
Seit dem 1. August 2015 gilt die neue Mindestlohndokumentationspflichtenverordnung (MiLoDokVO). Sie regelt die Pflicht zum Erstellen und Bereithalten von Dokumenten nach § 17 Absatz 1 und 2 des Mindestlohngesetzes, also die eigentliche Aufzeichnungspflicht. Diese galt schon in der bisherigen Fassung nicht für Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen mit einem regelmäßigen Monatsentgelt von mehr als 2.958,00 € brutto. In der neuen Fassung entfällt die Aufzeichnungspflicht schon dann, wenn das Monatsentgelt 2.000,00 € brutto überschreitet und in den letzten zwölf Monaten nachweislich gezahlt wurde. Für den Arbeitgeber stellt diese neue Regelung eine gewisse Entlastung dar. Arbeitnehmer mit einem Bruttoverdienst von mehr als 2.000,00 € sollten sich hier aber nicht in trügerischer Sicherheit wiegen lassen und dennoch weiter Aufzeichnungen über ihre tägliche Arbeitszeit anfertigen.
Pausen- und Ruhezeiten beachten
Was ist, wenn’s mal wieder länger dauert? Auch hier hat sich der Gesetzgeber Gedanken gemacht. Dauert der Arbeitseinsatz bis spät in die Nacht, muss dennoch die ununterbrochene Ruhezeit von elf Stunden bis zum Beginn des nächsten Arbeitstags eingehalten werden. Gerade bei Veranstaltungen mit „open end“ ist das immer wieder ein Problem. Arbeitnehmer sollten außerdem die Pausenregelung des § 4 ArbZG kennen. Der Arbeitgeber darf nämlich nicht einfach Pausen nach Gutdünken anordnen. Diese müssen vielmehr im voraus feststehen. Nach sechs Stunden müssen mindestens 30 Minuten Pause gemacht werden, nach neun Stunden sind es noch einmal mindestens 45 Minuten. Die Pausen dürfen auch schon zwischendurch gemacht werden und sie dürfen auch in kürzere Pausenblöcke geteilt werden. Diese gesetzlichen Pflichtpausen dürfen aber keinesfalls kürzer als 15 Minuten sein. Fast schon selbstverständlich ist es, dass Pausenzeiten nicht zu Beginn oder Ende eines Arbeitseinsatzes liegen dürfen (das ergibt sich aus dem Wortlaut des Gesetzes, wonach die Arbeit unterbrochen werden muss).
Und Raucherpausen?
Raucherpausen sind gesetzlich nicht geregelt. Klar ist nur, dass raucherpausen nicht zur Arbeitszeit zählen und deshalb bei den Arbeitszeitaufzeichnungen als Unterbrechung der Arbeitszeit einzutragen sind. Wird in der gesetzlich vorgeschriebenen Pausenzeit geraucht, so ist das meist unproblematisch. Wenn aber der Arbeitnehmer sich einfach so immer wieder vom Arbeitsplatz entfernt, um „mal eben“ eine Zigarette zu rauchen, kann der Arbeitgeber das untersagen. Denn eigenmächtig darf der Arbeitnehmer auch wieder nicht pausieren. Nimmt der Arbeitgeber eigenmächtige Raucherpausen sanktionslos hin, heißt das noch lange nicht, dass er dazu auch verpflichtet ist. Der Arbeitgeber ist berechtigt, das Rauchen am Arbeitsplatz zu untersagen. Ganz im Gegenteil: ein Anspruch auf bezahlte Raucherpausen besteht nicht. Die Raucher leisten während der Zigarettenpause keine Arbeit, weshalb der Arbeitgeber eine ausdrückliche Pflicht zum Ausstempeln oder zum Abmelden beim Vorgesetzten vorschreiben kann. Verstößt der Arbeitnehmer dagegen, so veranlasst er den Arbeitgeber, ihm für die Zeit der Raucherpause Entgelt zu zahlen, ohne dafür eine Gegenleistung zu erhalten. Verstöße in diesem Bereich rechtfertigen an sich eine außerordentliche Kündigung und sind oftmals der Aufhänger, um sich von unliebsamen Arbeitnehmern zu trennen.
Ausnahmen von den Höchstarbeitszeitregelungen in besonderen Fällen
Es kommt gerade in der Gastronomie immer wieder vor, dass Not am Mann ist. Dann ordnet der Chef an, dass länger gearbeitet werden muss. Das geht aber nur in engen Grenzen. So darf in Notfällen, d.h. wenn unvorhergesehen und unabhängig vom Willen der Betroffenen Rohstoffe oder Lebensmittel zu verderben drohen und Abhilfe auf anderem Weg nicht möglich ist, über die in § 3 ArbZG angeordneten maximal zehn Stunden hinaus gearbeitet werden (§ 14 Absatz 1 ArbZG). Ähnlich verhält es sich, wenn nur eine verhältnismäßig geringe Zahl von Arbeitnehmern betroffen ist und die Nichterledigung der Arbeit einen unverhältnismäßig hohen Schaden zur Folge hätte (§ 14 Abs. 2 ArbZG). Ob der Arbeitgeber von dieser Ausnahmeregelung rechtmäßig Gebrauch macht, ist oft umstritten. Da das Gesetz leider nur schwammig formuliert ist, besteht hier ein erhebliches Mißbrauchs- und Konfliktpotential. Im Zweifel ist eine Überprüfung durch einen Arbeitsrechtsexperten notwendig.