Rechtstipp im Arbeitsrecht
Bundesarbeitsgericht zur außerdienstlichen Aktivitäten für NPD und JN als Kündigungsgrund
(Stuttgart) Aktives
Eintreten für eine verfassungsfeindliche Partei oder deren Jugendorganisation
kann die personenbedingte Kündigung eines im öffentlichen Dienst beschäftigten
Arbeitnehmers begründen. Das gilt auch dann, wenn die Partei nicht durch das
Bundesverfassungsgericht für verfassungswidrig erklärt worden ist.
Hat allerdings der Arbeitgeber den Arbeitnehmer wegen politischer
Betätigung abgemahnt, gibt er damit grundsätzlich zu erkennen, dass er die
Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses für zumutbar erachtet, wenn zukünftig
verfassungsfeindliche Aktivitäten unterbleiben. Er kann eine spätere Kündigung
deshalb nicht ausschließlich auf Verhalten stützen, das schon seiner Abmahnung
zugrunde lag. Die Anfechtung des Arbeitsvertrags wegen verfassungsfeindlicher
Betätigung setzt voraus, dass der Arbeitnehmer eine ihm bei seiner Einstellung
in den öffentlichen Dienst zulässigerweise gestellte Frage nach seiner
Verfassungstreue bewusst falsch beantwortet oder relevante Umstände trotz
bestehender Offenbarungspflicht verschwiegen hat.
In Anwendung dieser
Grundsätze, so der Stuttgarter Fachanwalt für Arbeitsrecht Michael Henn,
Präsident des VdAA - Verband deutscher ArbeitsrechtsAnwälte e. V. mit Sitz in
Stuttgart, unter Hinweis auf die Mitteilung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) vom
12.05.2011 - 2 AZR 479/09, hat
der Zweite Senat des Bundesarbeitsgerichts die Entscheidung des
Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg bestätigt, das sowohl die Anfechtung
des Arbeitsvertrags als auch eine auf Aktivitäten für die NPD und deren
Jugendorganisation (JN) gestützte Kündigung eines Arbeitnehmers im öffentlichen
Dienst für unwirksam erklärt hat.
Der Kläger, der
Mitglied der NPD ist, war seit 2003 beim beklagten Land in der Finanzverwaltung
tätig. Er war zuständig für die Planung, Steuerung und Überwachung von
Druckaufträgen. Vor Begründung des Arbeitsverhältnisses hatte er sich in einer
Erklärung zu den Grundsätzen der freiheitlichen demokratischen Grundordnung im
Sinne des Grundgesetzes bekannt und angegeben, er sei nicht Mitglied einer
Organisation, die diese Grundordnung bekämpfe. Nachdem das beklagte Land ihn im
Oktober 2007 wegen verschiedener parteipolitischer Aktivitäten abgemahnt hatte,
kündigte es das Arbeitsverhältnis im Mai 2008 mit der Begründung, der Kläger
habe durch Teilnahme an einer von der NPD abgehaltenen Gedenkveranstaltung
erneut seine politische Treuepflicht verletzt. Zudem focht es den Arbeitsvertrag
wegen arglistiger Täuschung an.
Die Anfechtung ist nicht berechtigt. Der Senat hatte aufgrund bindender
Feststellungen des Landesarbeitsgerichts davon auszugehen, so Henn, dass sich
der Kläger bei Abgabe seiner Erklärung eines Eignungsmangels nicht bewusst war.
Auch ein Grund zur Kündigung liegt nicht vor. Der Kläger hat jedenfalls nach
seiner Abmahnung bis zum Zugang der Kündigung kein Verhalten gezeigt, das als
aktives Bekämpfen der freiheitlichen demokratischen Grundordnung des
Grundgesetzes angesehen werden kann. Ob die NPD und ihre Jugendorganisation als
verfassungsfeindlich einzustufen sind und ob das abgemahnte Verhalten deutlich
gemacht hat, dass der Kläger mögliche verfassungsfeindliche Ziele der NPD aktiv
unterstützt, war nicht zu entscheiden.