Rechtstipp im Arbeitsrecht
Barbara Emme - Das Ende der Bagatell-Kündigung?
Das BAG hat in seiner Entscheidung vom 10.06.2010 (Az.:2 AZR 541/09) der Kündigungsschutzklage der Kassiererin "Emmely" in letzter Instanz stattgegeben. Das Ende der Bagatell-Kündigung ist das jedoch nicht.
I. ZUM SACHVERHALT
Der Fall hatte bundesweit Aufsehen erregt. Der Klägerin - eine Kassierin in einem Berliner Supermarkt - wurde nach einer Betriebszugehörigkeit von 31 Jahren fristlos gekündigt. In ihrer Filiale waren zwei Leergutbons im Wert von 48 und 82 Cent aufgefunden und ihr vom Filialleiter zur Aufbewahrung im Kassenbüro übergeben worden, für den Fall, dass sich noch ein Kunde melden sollte. Nach den Feststellungen des Arbeitsgerichts Berlin und des Landesarbeitsgerichts reichte die Klägerin die beiden Bons bei einem privaten Einkauf zehn Tage später selbst ein.
Hierauf kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis fristlos. Die Vorinstanzen wiesen die hiergegen gerichtete Kündigungsschutzklage ab. In den Medien wurde der Fall kontrovers diskutiert. Nun gab das BAG der Klage statt.
II. KONTEXT DER ENTSCHEIDUNG
Der Fall behandelt eine sogenannte Bagatell-Kündigung. Nach der Rechtsprechung können auch strafbare Handlungen, die einen Bagatell-Schaden nach sich ziehen eine außerordentliche Kündigung rechtfertigen. Eine Wertgrenze gibt es nicht. Grundsätzlich kann also auch die Mitnahme eines Brötchens oder eines Bleistifts beim Arbeitgeber Grund zur sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses führen. Dabei geht es nicht etwa um Bestrafung des Arbeitnehmers, sondern darum, dass der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer zukünftig nicht mehr vertrauen kann und ihm die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses daher nicht mehr zuzumuten ist. Ob dies der Fall ist, muss durch eine Abwägung entschieden werden, die die Interessen sowohl des Arbeitnehmers als auch des Arbeitgebers berücksichtigt.
III. DIE ENTSCHEIDUNG
Im Fall Emmely kam das BAG nun zu der Auffassung, dass es sich trotz des geringen Wertes der Pfandbons um einen schwerwiegenden Vertragsverstoß handele, weil er den Kernbereich der Arbeitsaufgaben einer Kassiererin berührte und damit trotz des geringen Werts der Pfandbons das Vertrauensverhältnis der Parteien objektiv erheblich belastet worden sei. Auf der anderen Seite war zu berücksichtigen, dass die Klägerin mehr als 30 Jahre ohne rechtlich relevante Störungen bei der Beklagten beschäftigt war und sich hierdurch ein hohes Maß an Vertrauen erwarb. Vor diesem Hintergrund konnte das Vertrauen durch die Tat nicht gänzlich zerstört sein. Eine Abmahnung wäre das angemessene und ausreichende Mittel gewesen, um einen künftig wieder störungsfreien Verlauf des Arbeitsverhältnisses zu bewirken.
IV. FAZIT
Mit seiner Begründung folgt das BAG den Grundsätzen seiner bisherigen Rechtsprechung. Das BAG hat die Bagatell-Kündigung keineswegs kassiert (so etwa Manager-Magazin-Online vom 10.06.2010; http://www.manager-magazin.de/politik/artikel/0,2828,700011,00.html). Es ist in hohem Maß der langen Beschäftigungsdauer der Klägerin zu verdanken, dass die Kündigung letztlich unwirksam war. Der Griff in die Kasse kann auch zukünftig bei kleinen Beträgen zu einer rechtmäßigen fristlosen Kündigung des Arbeitsverhältnisses führen.