Rechtstipp im Anlegerrecht
Keine fristlose Kündigung einer eingeschlafenen Pflegehelferin
Das Landesarbeitsgericht (LAG) Hessen entschied am 05.06.2012 (Aktenzeichen 12 Sa 652/11), dass die fristlose Kündigung einer im Dienst eingeschlafenen Pflegekraft ohne vorherige Abmahnung aus Gründen der Verhältnismässigkeit wie in Anbetracht der Zukunftsprognose nur dann gerechtfertigt ist, wenn sich die Arbeitnehmerin geplant und für die Heimbewohner unerreichbar zum Schlafen zurückgezogen und keinerlei Vorkehrungen dafür getroffen hätte, dass Notsignale aus ihrem Wohnbereich für ihre Kollegen wahrnehmbar waren.
In dem entschiedenen Fall war die Mitarbeiterin seit Juli 2003 bei ihrem Arbeitgeber beschäftigt. Seit September 2006 arbeitet sie ausschließlich im Nachtdienst von 21.00 Uhr bis 7.00 Uhr, inklusive einer zweigeteilten Pause von insgesamt 45 Minuten.
Im März 2010 nahm sie nach einer Lungenentzündung den Dienst wieder auf und absolvierte dabei unter anderem die vorgeschriebenen Kontrollgänge.
Um 0.30 Uhr und 1.45 Uhr aber trafen zwei Kollegen die Frau schlafend in einem zurückgelehnten Fernsehsessel mit einem Kopfkissen unter dem Kopf im Bewohneraufenthaltsraum an.
Daraufhin kündigte der Arbeitgeber der Mitarbeiterin fristlos. Er warf ihr vor, während des genannten Zeitraums ihres Nachtdienstes durchgehend geschlafen zu haben.
Die Frau klagte bei dem Arbeitsgericht Wiesbaden (Az.: 10/6/10 Ca 309/10), das urteilte, der Arbeitgeber habe nicht bewiesen, dass sich die Frau in dem angegebenen Zeitraum im Dauerschlaf befunden und gezielt eine Schlafstätte hergerichtet habe. Daher sei die fristlose Kündigung hier unverhältnismäßig, eine Abmahnung hätte genügt.
Gegen diese Entscheidung legte der Arbeitgeber Berufung ein und trug vor, die Mitarbeiterin habe in unverantwortlicher Weise ihre dienstliche Pflicht vernachlässigt und die ihr anvertrauten älteren Menschen für mindestens 75 Minuten schutz- und hilflos sich selbst überlassen.
Das LAG Hessen bestätigte jedoch das Urteil des Arbeitsgerichts Wiesbaden:. Zwar sei eine Verletzung der Dienstpflicht durch Schlafen an der Arbeitsstelle grundsätzlich als wichtiger Grund für eine fristlose Kündigung geeignet. Die fristlose Kündigung sei aber ohne vorherige Abmahnung aus Gründen der Verhältnismässigkeit wie in Anbetracht der Zukunftsprognose nur dann gerechtfertigt, wenn sich die Arbeitnehmerin geplant und für die Heimbewohner unerreichbar für die gesamte fragliche Zeit zum Schlafen zurückgezogen und zudem keine Vorkehrungen dafür getroffen hätte, dass Notsignale aus ihrem Wohnbereich für Kollegen wahrnehmbar waren.
Dies sei hier aber mangels bewiesener Planung wie auch aufgrund der Zusammenlegung der Notrufe ihrer Station mit einer anderen nicht der Fall gewesen.
Das Gericht sahe keine Wiederholungsgefahr und verwies darauf, dass die Frau nach überstandener Krankheit noch schwach gewesen und wohl deswegen eingenickt sei.